DUM NR. 76

THEMA: KUNST
Wer geht noch hin?
Von Klamauk bis Konfrontation
Mit: Verena Mermer - Interview * André Patten * Doris Nußbaumer * Markus Prem * Martin Piekar * Harald Jöllinger * Karin Seidner * Christian Schreibmüller * Dominik Hödl * Annemarie Regensburger * Markus Grundtner * Michael Stradal * Mario Keszner * Sigune Schnabel * Claire Walka * Ingeborg Schmid-Mummert * Frank Schliedermann * Susanne Mathies * Franz Friedrich Kovacs * Lukas Vering * Horst Reindl * Elke Steiner * Der Wortvertreter

Rezensionen: Jacek Dehnel - Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya * Clemens J. Setz - Die Stunde zwischen Frau und Gitarre * Pia Solèr - Die Weite fühlen

Preis: EUR 3,30.- (EUR 5.- außerhalb Österreichs)
Förder-Abo (4 Ausgaben): EUR 13.- (EUR 20.- außerhalb Österreichs)
Bestellung: Online, per E-Mail (dummail@gmx.at) oder unter 0664 / 4327973.

DUM-Interview: "DAS GESPENST DER FREIHEIT GEHT UM ..." mit Verena Mermer


Leseproben aus DUM 76:

DER CARTOON
(Harald Jöllinger)

Schon zum dritten Mal läutet das Telefon. So ein lästiger Kerl. Wer ruft mich an um halb zwölf Uhr in der Früh? Ja, der Cartoon wird pünktlich fertig. Um 18 Uhr ist er eingescannt und abgeschickt. Titel hab ich auch schon: "Bundeskanzler!" Nein, nicht die Merkel, unseren hab ich gezeichnet. Ja, echt. In schwarz-weiss. Einen wie den Faymann kann man nur schwarz-weiss zeichnen. Wo soll ich da die Farbe her nehmen? Dann bis 18 Uhr. Wiederhören!
Muss ich einmal schauen, was ich gestern noch gemacht hab. Also die Zeichnung ist fertig. Unser Faymann. Fast ein bissl intelektuell schaut er aus. Ja, das lass ich so und drunter schreib ich: "Werner, der G'scheite!" Ah wo, zuerst mach ich mir einen Kaffee und dann denk ich weiter. Richtig gut hab ich ihn erwischt, den Faymann, gefällt mir selber. Und der ist so schwer zu zeichnen. Die früheren Karikaturisten haben's da leichter gehabt. Der Schüssel, einfach einen krawutischen Gartenzwerg zeichnen, fertig. Oder die typische Gusi-Haarpracht, oder der Sinowatzzinken. Und überhaupt, ganz früher der Kreisky. Das wär was für mich gewesen. Aber ich bin zu spät geboren, in einer zu gesichtslosen Zeit.
...


WORTWEGE
(Sigune Schnabel)

Im Allgemeinen wird angenommen,
ich sei es, die meine Gedichte schreibt;
doch meistens schreibt sich das Gedicht selbst
und nimmt mich an die Hand -
wenn ich Glück habe.
Sollte ich weniger glücklich sein,
schreibt das Gedicht mich
und zerrt mich in seinen Strudel.
Der Weg hinaus liegt jenseits der Worte.


ATTITÜDE
(Markus Prem)

Die große
Kunst

das verkaufen
zu können

von dem
man glaubt

es verkörpern
zu müssen.


Sommer 2015, Hotel Imperial, Wien
Ein Treffen der Literaturnobelpreisträger der letzten 114 Jahre ... und alle sind sie da

(Elke Steiner)

Im Foyer - gedämpfte Stimmen
Sanftes Gläserklingen

Elfriede Jelinek
Steht ein bissl grell im Eck

In der Hand ein Bier, ein starkes
Wankt jetzt schon Garcia Marquez

Le Clezio und sonstige Franzosen
Elegant in grauen Hosen

In der Mitte - eine Handvoll men in grey
Am imposantesten natürlich Hemmingway

Schau dir den an!
Denkt sich Thomas Mann
...


LEGE ARTIS - ARTE LEGIS
(Markus Grundtner)

Memorandum (Vertraulich)
Die Thesaurus Verlag GmbH hat uns, die Kanzlei Palindrome & Partner, beauftragt,
  1. das Schreiben auf Basis seiner Regelhaftigkeit zu qualifizieren
und
  2. das Potential der Literatur zu quantifizieren,
um das Investitionsrisiko abzuschätzen, sich in einen Schreibprozess einzulassen.
Zu diesem Zweck gebrauchen wir das Prüfschema der literarisch-juristischen Schule des "Reinen Formalismus".

1. Regelmäßig schreiben
1.1. Der Jurist findet die Antworten, er kennt die Fragen. Dafür schlägt der Jurist Absätze aus Paragraphen und Fachbüchern heraus. Er schleift und schneidet die Absätze, um sie bausteinartig neu zusammenzusetzen. Am Ende zieht der Jurist einen Schluss.
Demnach errichtet der Jurist einen Satzbau. Die Regeln, denen er folgt, nach denen seine Welt also funktioniert, sind von anderen vorgegeben.
Aus diesem Grund hat der Jurist auch einen fixen Standplatz am Absatzmarkt, er kann nach Stundensatz verrechnen.
Fehlt es dem Juristen aber an Absatz-Bausteinen, so gilt grundsätzlich: Eine Frage - keine Absätze - kein Absatzbau - kein Absatzmarkt. (siehe jedoch 1.3.)
1.2. Der Autor sucht die Fragen, er kennt die Antworten. Das Geschriebene ist seine eigens geschaffene Welt, es sind seine Regeln.
In jedem Text verbergen sich demnach weitere Texte zwischen den Zeilen: fiktive Gesetze der Natur und fiktive Gesetze der Gesellschaft. Folglich verpackt der Autor Satzschachtel in Satzschachtel. Er ist die Legislative seiner Welt.
Dafür hat der Autor aber keinen sicheren Standplatz am Absatzmarkt, er muss Satzstunden investieren.
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