DUM NR. 101

THEMA: KOMPLEX
Von Charakter bis Gebäude
Mit: Isabella Feimer – Interview * Daniela Dangl * Angelika Polak-Pollhammer * Céline Schneidewind * Martina Berscheid * Daniel Krauser * Marlene Schulz * Elora Marx * Daniel Mylow * Harald Vogl * Moana Marosevic * Helena Priester * Patrick Gasser * Michael Pick * Maria-Christina Schinko * Nicole Makarewicz * Raoul Eisele * Etienne Thierry * Carola Lorenz * Nayra A. Jonke * Saskia Dyk * Georg Großmann * Annemarie Regensburger * Barbara Eichinger * Valeria Anna Lampert * Martin Peichl * Mieze Medusa * flimmern.fischen

Rezensionen: Andreas Pavlic – Die Erinnerten * Haruki Murakami – Gesammelte T-Shirts * Elke Steiner – Die Frau im Atelier

Zeichnungen: Eckholz

Preis: EUR 4.- (EUR 7.- außerhalb Österreichs)
Förder-Abo (4 Ausgaben): EUR 15.- (EUR 20.- außerhalb Österreichs)
Bestellung: Online, per E-Mail (dummail@gmx.at) oder unter 0664 / 4327973.


DUM-Interview: "DAS ERFAHRENE ERZÄHLEN" mit Isabella Feimer



Leseproben aus DUM 101:


DAS PORTRAIT MEINES GROSSVATERS
(Daniela Dangl)

Helden sind unantastbar. Sie sind makellos. Immer. Alles, was über sie gesagt wird, fügt sich zu einem Bild, in dem das Erzählen keine falschen Farben wählt. Von Beginn an ist jeder Strich, jeder Punkt Voraussetzung für das perfekte Ganze, das sich schließlich zu erkennen gibt, wenn der Firnis getrocknet ist.
Wenn von Heldentaten erzählt wird, werden Möglichkeiten ausgeblendet. Die Geschichten sind Bilder in klaren Farben, scharf konturiert. Wir lauschen mit gespitzten Ohren und aufgerissenen Augen den Abenteuern, in denen es Gut und Böse, Weiß und Schwarz gibt. Die fünfzig Schattierungen von Grau sieht man anderswo - wenn überhaupt. Eine Wahrheit zu erkennen, die Schlieren und Einsprengsel hat, die sich nicht damit begnügt, auf Anhieb verstanden zu werden, macht alles kompliziert. Wir leben unbeschwerter, wenn die Welt einfach ist. Verlieren wir uns in der Komplexität von Fragen und Antworten, verlieren wir unsere Unschuld.
Ich weiß nicht, wie viele Menschen mein Opa umgebracht hat. Darüber schwieg er. Er erzählte lieber davon, wie er mit seinem besten Freund Würste aus der Selch des Fleischhauers mitgehen hatte lassen, oder wie die Großmutter ihm, dem Bankert der Tochter, das Schnabelhäferl nachgeworfen hatte, dass es ihm im Schädel stecken geblieben war. Warum? Frech war er gewesen, der Josch.
...



WEGEN UMBAU GESCHLOSSEN
(Angelika Polak-Pollhammer)

kua zeit
muaß no was anders
lass mih in ruah
tür zua
mach ih spater
morgen
safe
telefonier grad
gemma kebab
he bro des fuckt mih so ab
bin z miad
mah alter
was du immer
mit dem aufraumen hasch
sorry han ih vergessen
lass es liegen
na es stinkt nit
duschen isch baba
deo isch

irgendwann krieagen se a hirn
hat d groaßmuater schu gsagt



DIE BRÜCKE
(Daniel Krauser)

Ich liebe Autobahnbrücken solange ich denken kann. Stehe ich auf einer und schaue nach unten, dann sehe ich nicht nur die Straße, ich sehe den Ausschnitt eines Nervensystems, das sich wie ein feines Geflecht über die Welt legt. Ich sehe ein Band, das Menschen und Dinge miteinander verknüpft, sie zufällig zueinander bringt und wieder voneinander löst; und ich sehe einen Ort, an dem die Reisenden gleichermaßen geborgen wie isoliert sind, in der Sicherheit und dem Gefängnis ihrer Fahrgastkabine. Vielleicht sind es jene Paradoxien, die mich schon früh angezogen haben; jedenfalls liebe ich Autobahnbrücken, solange ich denken kann.
Ich war kein sehr geselliges Kind; eigentlich war ich Einzelgänger, der direkte Kontakt zu anderen Menschen strengt mich bis heute an. Es fällt mir schwer, in ihren Gesichtern zu lesen; und es fällt mir schwer, das, was sie sagen von dem zu unterscheiden, was sie meinen. Lange hat mich die Angst geplagt, sie misszuverstehen; und ich bin zusammengezuckt, wenn jener enttäuschte Blick über ihre Züge gehuscht ist, weil es mir wieder einmal misslungen war, sie zu deuten. Wahrscheinlich suche ich deshalb den Kontakt zu den Menschen nicht; und wahrscheinlich liebe ich es deshalb, auf Autobahnbrücken zu stehen.
Spähe ich von oben in die Wagen, in den wenigen Sekunden, in denen sie mich passieren, dann vermag ich sie zu ergründen, ihr Woher und Wohin und ihr Was und Warum. Sind sie für sich, sicher in den Gehäusen ihrer Autos in voller Fahrt, dann sind sie leichter zu lesen. Sie verstellen sich nicht, sie sind ganz bei sich selbst und ich bin ganz bei ihnen.
...



SO LEICHT IST DAS NICHT
(Maria-Christina Schinko)

Bei uns am Land ist das so: Suchst du ein Grundstück oder ein Haus, gehst du nicht ins Internet oder in ein Immobilienbüro, du gehst zum Bürgermeister oder zum Großbauern. Idealerweise und im Normalfall ist das eine Person, damit ersparst du dir einen Weg. Nerven nicht unbedingt. Weil spätestens jetzt fällt dir jede Bemerkung deiner früheren Heurigenbesuche auf den Schädel. Ihr Gedächtnis, gleich wie ihre Bäuche, Fässer ohne Boden. Während du dir mit einem nach dem anderen Achterl eine nach der anderen Gehirnzelle weggesoffen hast, sind sie neben dir gesessen, die Bürgermeister und die Großbauern, wartend, bis du den ersten linken Scheiß von dir gibst. Pro-Einwanderung zum Beispiel, deiner Meinung nach müssten ja vor allem die Bauern davon profitieren, dann müssten sie ihre Erntehelfer (nur Helfer, keine innen, gibt's nicht) nicht mehr in Hinterzimmern und Kellerstüberl verstecken, sie könnten sie angemessen bezahlen und versichern, die wiederum könnten sich damit eigene Wohnungen leisten, sie selbst einrichten und ihre Lebensmittel selbst aussuchen, haha Wirtschaft ankurbeln. Sie schenken dir weiter ein, rede nur weiter. Eine Gabe, die von Generation zu Generation an Bürgermeistern weitergegeben wurde: Einschenken, Zuhören und im richtigen Moment deine Worte gegen dich verwenden.
...



DRAMATIC AUSTRIAN WATERS
(Georg Großmann)

Today I'll
drown myself Inn the
Traun
I'm a Lake Faak

I am weaker Danube

I wanna be Taffa
but I'm Thaya and ILL

- I Kamp any Mur -

I Lech your love, y'know?

That's why today I
Ranna way

to Traun myself -

so my Pitten life
Enns.