DUM NR. 31

THEMA: DIE FASZINATION DES BÖSEN
Mit: Andreas Weber (Interview) * Josef Al Katout * Beppo Beyerl * Ernst Karner * Carsten Brinzing * Silvia Piglmann * Thomas Mölg * Roman Weyand * Reinhold Schrappeneder * Peter Pflügler * Christlin Holtschmidt * Philipp Weiß * Cornelia Travnicek * Bernhard Bachmann * Christian Enggassner * Benjamin Klug * Markus Köhle * Sarah Maria Lejeune

Rezensionen: Andreas Weber - Lanz * Thomas Glavinic - Wie man leben soll * Helwig Brunner - Grazer Partituren

Preis: EUR 3,30.-
Förder-Abo (4 Ausgaben): EUR 13.-
Bestellung: Online, per E-Mail (dummail@gmx.at) oder unter 0664 / 4327973.


Leseproben aus DUM 31:

LÜCKENTEXT
(Josef Al Katout)

Das Glas muss zerspringen
Denn eine Gazelle
Stellt sich
Niemals.

In Adern beginnt das Rauschen
Als tiefe Worte fallen
Und die höchste
Mauer zerbröckelt.

Vertrockne jeder Baum!
Solange dein Trapez
Dem der Lemminge gleicht
Und mich Scherben umgeben.


AM BERGL
(Silvia Piglmann)

Es war Ende November, und es war kalt, am Bergl oben. So kalt wie die Kreuze und Grabsteine, die ringsherum aus der Erde ragten.

"Heit wird`s wui nimma aufreissn", sagte jemand hinter uns.

Das mit dem Wetter war ausgemachte Sache. Oma wollte unbedingt in der kalten, finsteren Jahreszeit sterben, keinesfalls im Sommer. Womöglich noch im August, am Kirtag, wo die Dorfmusikanten von morgens bis abends Krawall machen!

Ich zog den Rollkragen hoch. Normalerweise hätte ich die blaue Helly Hansen getragen, aber das ging nicht. Auf Beerdigungen sind freundliche Farben nicht zugelassen. In unserer Familie bedeuten derartige Entgleisungen ewige Verbannung, im schlimmsten Fall Enterbung. Meine dunkelrote Daunenjacke war hart an der Grenze.

Egal, hier gab es nichts zu erben.

Im Winter, so meinte Oma, stirbt es sich angemessen für einen alten Menschen. Der Spätherbst ginge auch noch. Und bald sollte es bitteschön sein! Jeden Tag hat sie darum gebetet, inständig, in der Stube vor dem Herrgottswinkel.

Aber der Allmächtige zierte sich. Oma wurde älter, und älter. Als an ihrem dreiundneunzigsten Geburtstag die Gemeindekutsche vor ihrem halb verfallenen Häuschen parkte, dachte sie schon, der Herr hätte sie vergessen. Aber der Herr vergisst niemanden. Der Bürgermeister schaffte es gerade noch, seinen üblichen Geschenkkorb abzuliefern. Zwei Kilo Jacobskaffee, eine Flasche Eierlikör, ein halber Kilo geräucherter Schinken und eine Schachtel Hoferpralinen. Goldene Auslese. Mit dem Ausdruck höchster Wertschätzung und der Versicherung, nächstes Jahr um diese Zeit wiederzukommen. Da brach Oma tot zusammen ...


(OHNE TITEL)
(Sarah Maria Lejeune)

Wäre Gehen
Nicht nur ein Gang
Wäre doch Ankunft
im Bleiben

Läge in Angst Sinn
zu fürchten
Hätten Worte ihr wertvollstes Gut
im Gesagten
Stürbe der verliebte Sommer
ohne das Leben

Wäre Halten
Nicht nur ein Halt
Wäre doch Abschied
im Beglücken

Fiele stets der Schnee.


UEBER EIN STUECKCHEN VOM LAND
(Cornelia Travnicek)

eine wolke schiebt sich vor die sonne nur kurz auch nur die einzige am himmel ein stueck stahlblaue randlosigkeit und diese strenge eines nicht zu heissen und nicht zu kalten sommertages ein grashalm gruen gruen knickt unter meinem fuss und noch und noch eine spur ameisenflucht lichtschatten ein spiel und die einzige wolke zieht weiter sie zieht so schnell und kein wind der mich traegt ich bleibe hier die haeuser ohne geraeusch es ist sonntag immer ist sonntag und keine katze im hof gruenes gruenes gras noch unverbrannt und mein fuss beruehrt nackte erde die waerme der staubfilm auf der haut ich zeichne ein zehenbild und es ist die sonne es fliegt kein vogel und weiter der wald trockenkuehl eine tannennadel im haar und noch und noch mehr am boden so viele tun nicht weh sie sind weich die nadeln und alt sicher vom vorjahr und vom jahr davor ein boden aus toten nadeln und moos ich kann die sonne nicht mehr sehen und der himmel hat einen rand ich sehe keine baeume in diesem wald nur zwischenraeume und leere ein wasser ich hoere wasser nein man riecht wasser riecht und spricht ich steige hinein und gras und erde und staub und nadeln alles geht fort fort wie die wolke nasskalt umspuelt gehe ich wieder zurueck und auf meinen nassen fuessen nehme ich alles mit alles es kleben die nadeln der staub die erde das gruene gruene gras und stahlblaue himmel es kleben die starre der sonne der leere hof die zwischenraeume es klebt alles an meinen fuessen
und am randlos faellt die letzte wolkenmauer