Gerhard Benignis neues Buch ist da. DUM-Leser*innen kennen ihn. Lernen Sie ihn im Interview mit Markus Köhle noch besser kennen.
DUM: Du bist ein fleißiger DUM-Einsender und wir durften dich schon oft abdrucken. Du fällst immer durch deine originellen Themenzugänge und natürlich deine virtuosen Wortspiele auf. Kommen dir die konkreten DUM-Themen entgegen? Brauchst du Themenvorgaben, um in Schreibschwung und -laune zu kommen? Was brauchst du, um schreibtechnisch loszulegen?
GB: Themenvorgaben wie jene von DUM sind immer sehr willkommen und höchst inspirierend. Ohne sie würde es viele meiner Geschichten gar nicht geben und damit sicher auch noch keine fünf Bücher von mir. Dabei wollte ich doch nur eines schreiben. Sollte meine Schreiblust weiter anhalten, bleibt zu befürchten, dass es noch mehr Bücher werden. Viele meiner Geschichten gäbe es aber auch nicht ohne das weltweite Gewebe als brauchbarer Stichwortgeber. Der rote Faden, sofern es einen gibt, spinnt sich dann während des Schreibens in meinem Kopf zusammen. Dazu brauche ich nur mein Tablet, im besten Fall mit WLAN, und schon kann ich immer und überall loslegen.
DUM: Ah, ein Tablet-Schreiber. Klassisch mit Notizbuch im Kaffeehaus trifft man dich also nicht an?
GB: Kaffeehaus durchaus, aber dann mit Espresso. Schwarz. Ohne Zucker. Und statt Notizbuch tippe ich spontane Geistesblitze direkt ins Handy. Damit sind die schon mal digital und können dann gleich am Tablet einschlägig vertieft oder mitunter auch zur Löschung verdonnert werden. Ich bin halt einer, der das Wort Schreibtechnik beim Wort nimmt. Außerdem hab ich davon gehört, dass es vorkommen soll, dass Autoren gelegentlich selbst abstürzen, bei mir passiert das höchstens dem Tablet. Aber ich praktiziere natürlich Safer Writing.
DUM: Apropos Abstürzen. Dafür, dass du (bzw. der Ich-Erzähler) vorgibt, keinen Alkohol zu trinken, schreibst du sehr viel über Bier, Wein & Co. Warum?
GB: Sag schon, wie viel bekommst Du von Wein & Co. für diese Frage? Machen wir zwei Halbe? Bier ist schließlich selbst für einen Nullkommanix-Villacher eine Ährensache. Aber im Ernst, das mit keinem Alkohol ist keine Vorgabe, sondern eine Tatsache. Obwohl, als Autor sollte man ja nie verraten, was an den Texten autobiografisch ist und was nicht. Nüchtern betrachtet kann ich Dir meinen literarischen Hang zum Alkohol jedenfalls selbst nicht erklären. Liter ließe sich ja noch weise herleiten, aber ... ach, lassen wir das leidige Thema. Vermutlich sind es die Themenvorgaben von DUM & Co., die mir so zu Kopf steigen. Ja, ich bin mir hochprozentig sicher, es sind die Themen. Außerdem sind flüssige Texte doch viel prickelnder, als über eine Spurensuche in stillem Mineralwasser abzuworten. Alle meine Geschichten entstehen jedenfalls völlig alkoholfrei. So gesehen dürfte ich sogar Auto fahren beim Schreiben.
DUM: Und zur Schreibtechnik. Bist du jemand, der sehr viel überarbeitet oder ein Freund der ersten Würfe? Was ist zuerst da, die Idee über alle Elemente zu schreiben, oder der erste Satz?
GB: Ich genieße den Luxus einer sehr engagierten und gewissenhaften Lektorin, sodass mein erster Wurf dem Publikum glücklicherweise nie zu Ohren oder Augen kommt. Mit der Zeit hab ich dadurch selbst meine Versionsaversion abgelegt und mich davon überzeugt, dass sich die überarbeiteten Letztfassungen meiner Geschichten wie Tausend-und-eine-Nacht im Vergleich zu den Urversionen lesen. Erste Sätze sind aus meiner Sicht überbewertet, obwohl viele meiner Texte überhaupt nur aus eben einem solchen bestehen. Genau da gilt es dann umso mehr, zwischen den Zeilen zu denken. Aber um auf den Punkt zu kommen: Ja, die Idee ist elementar.
DUM: Eine Idee, ein Personen-Pärchen zieht sich durch all deine Bücher. Norbert und Marianne. Da stellt sich die Spracharbeit in den Dienst des Inhalts. Da ist alles motiviert, verdichtet und wunderbar getaktet. Sind das die Texte, in denen am meisten Arbeit drinnen steckt?
GB: Marianne & Michael tut einfach zu weh in den Ohren, darum sind es Norbert und Marianne geworden. Zusammen mit ihrer schrecklich netten Patchwork-Familie sind die beiden zentrale Figuren meiner allerersten Kurzgeschichte "Fertigteilparkettboden. Im Niedrigenergiereihenhaus.", die dann auch titelgebend für mein erstes Buch wurde. Mit ihren drei Kindern, Tante Melitta und der Pekinesen-Pudel-Mischung Idefix werden sie in ihrem Alltag von aktuellen Themen gestreift. Mittlerweile kenne ich alle schon so gut, dass ich ziemlich schnell weiß, wie sie ticken. Mein Tick ist es, das Geschehen und ihre Gedanken - manchmal fast schon bis zur Unkenntlichkeit - zu verdichten. Statt Fertigteilparkettboden gilt es für mich dabei, Doppelböden zu verlegen, auf Niedrigenergie herunterzufahren und die Worte doch mit Bedeutung zu überladen, Sätze auf Streichholzlänge zu kürzen und damit möglichst reibungslos das Feuer in meiner Leser*innen- und Zuhörer*innenschaft zu entfachen. Danke übrigens für Dein mir angedichtetes Taktgefühl. Das motiviert (zu allem, nur nicht zu einem Tanzkurs). Arbeit und Vergnügen teile ich gerecht mit meiner Lektorin, wobei ich mir hauptsächlich Zweiteres vorbehalte.
Ich merk gerade, desto länger ich Dir dazu antworte, verdichtet sich mein Verdacht, dass ich mit Norbert und Marianne gemeinsam alt werden werde. Die sind echte Kärntner, die gehen nicht unter.
Nächste Frage, bitte, sonst wird das hier noch eine Kurzgeschichte ...
DUM: Weil du grad Kurzgeschichte schreibst. Hast du "Wenn Huby träumt", ein Text, der aus 235 Titeln der fidelen Mölltaler besteht, für den Mölltaler Geschichtenwettbewerb geschrieben? Wenn ja, wie war die Reaktion?
GB: Stimmt, schon wieder erwischt. Ich wusste damals so gut wie nichts über das Mölltal, nur die fidelen Mölltaler waren mir ein Begriff. Und der Gletscher. Aber Gold, Platin und Diamant fand ich dann doch inspirierender als das ewige Eis. Die Reaktion der Jury war durchwegs positiv, allerdings wurde die Geschichte aufgrund von Copyright-Bedenken auf Eis gelegt, wie ich ein Jahr darauf erfahren habe. Da konnte ich mit "Kafkas Chinareise" den Preis für die beste Mölltal-Geschichte abräumen und Huby Mayer hat mir bei einem persönlichen Treffen im Mölltal die Erlaubnis, seine Liedtitel zu verwenden, eingeräumt. Auch wenn Liedtitel nicht urheberrechtlich geschützt sind, konnte ich über den Segen "von ganz oben" frohlocken. Die Geschichte hat Huby sogar so gut gefallen, dass er sie in sein privates Fidelen-Mölltaler-Archiv aufgenommen hat und mein Verlag SchriftStella in das Einhorn-Buch.
DUM: Und zu den Ein-Satz-Texten. Sprichst du da deine Social-Media-Aktivitäten an? Wenn ja, ist das reines Vergnügen oder doch auch Arbeit?
GB: Zumindest fleißig / aktiv genug, dass 2018 ein ganzes Buch ("Der Zeitgeist ist eine Flasche") mit Postings zusammengekommen ist. Also ja, voll erwischt. Facebooken ist für mich wie Essen. Ich ertappe mich mehrfach täglich dabei, gelegentlich sogar zwischendurch. Weil diese Schlagzeilenflut aber auch immer wieder neues Material liefert. Ich poste dann die Originalschlagzeile plus meinen Senf dazu, wie etwa aktuell: "Regierung ändert Tauglichkeitskriterien. Ein bisserl spät, wo jetzt doch alle schon angelobt sind." So etwas kann mir einfach nicht wurscht sein. Das muss raus, bevor ich platze.
Ob das Arbeit oder Vergnügen ist? Hmmm, ich werd meinen Facebook-Suchttherapeuten befragen, was er dazu meint. Ich würde meinen, jeder Text ist irgendwie Arbeit, aber der Spaß am Schreiben überwiegt die Qual der Wortwahl bei Weitem. Auf den Geist geht's mir mit Sicherheit nicht.
DUM: Und: Um alle auf das Buch neugierig zu machen. Sind die sieben Zeilen auf Seite 59 so etwas wie deine persönliche Poetik?
GB: Das überlass ich lieber Dir als Profipoeten, mir meine Poetik zuzuschreiben. Das würde ich mir als Amateurautor nie versanmaßen. Sehr gerne kann sich aber jede*r selbst auf Seite 59 und den restlichen 204 Seiten einen persönlichen Eindruck von meiner Ausdrucksweise verschaffen. Jetzt hör ich aber besser auf, das druckt sonst ja niemand mehr durch und DUM womöglich gar nicht ab ...
DUM: Vielen Dank für das Interview!
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