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HENRIETTE LÄCHELT

Wolfgang Kühn interviewt: Andrea Heinisch
Manchmal liegen viele Jahre zwischen DUM Veröffentlichungen. Andrea Heinisch war in Ausgabe 41 im Jahr 2007 vertreten und jetzt im aktuellen DUM. Kürzlich ist ihr Debütroman "Henriette lächelt" erschienen und Wolfgang Kühn hat sie zum Interview gebeten.


Du bist eine literarische Spätstarterin, was den Debütroman betrifft. Andererseits, es ist nie zu spät - Ilse Helbich hat mit achtzig ihren ersten Roman veröffentlicht. Warum hat es trotz zahlreicher Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien so lange gedauert?
Ich war so lange mit den Möglichkeiten kurzer Prosatexte beschäftigt, dass mich längere Texte erst sehr spät gereizt haben. Ich war mir auch nicht sicher, ob ich sie durchhalte.

"Henriette lächelt" basiert auf einer problematischen Mutter-Tochter Beziehung. Bezeichnend der Satz "Henriette denkt, dass es nicht der Herrgott ist, der das Leben gibt und wieder nimmt, sondern dass es die Mutter ist." Henriette - so viel darf man verraten - emanzipiert sich dann doch von ihrer Mutter, verliebt sich und beginnt mehr und mehr ihr eigenes Leben. Man hat beim Lesen das Gefühl, dass dir Henriette sehr ans Herz gewachsen ist?
Ich identifiziere mich ja immer maximal mit meinen Figuren. So habe ich eher das Gefühl, dass sie (um im Bild zu bleiben) aus meinem Herz kommen und ich sie dort herausschreibe und gehen lasse, als dass sie von außen kämen und sie mir ans Herz wachsen könnten.

Die Geschichte soll vermutlich auch jenen Menschen, die, wie Henriette, nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, Mut machen?
Wenn das so ist, dann freut es mich, meine Intention ist es aber nicht. Ich will zeigen, wie ein Leben mit 190 Kilos aussehen kann, vor allem aber wollte ich eine angemessene Form und eine Sprache für eine Protagonistin finden, der es an beidem mangelt.

Du bist in Wien geboren und aufgewachsen, hast in Tirol maturiert, in Salzburg studiert und lebst in Wien und im Waldviertel. Ist dieses "Herumziehen", dieses "Nicht-Sesshafte", etwas, das Teil von dir geworden ist? Das vielleicht auch dein Schreiben beeinflusst?
Das ist eine überraschende Frage, denn ich würde mich sogar als sehr sesshaft bezeichnen, die häufigen Ortswechsel hatten alle direkt oder indirekt nur mit Änderungen im Leben meiner Eltern zu tun.
Ich bin zwar ständig im Wechsel zwischen Wien und dem Waldviertel, das allerdings so ausschließlich und stetig, dass man es durchaus als sesshaft bezeichnen könnte, halt alternierend. Für mein Schreiben spielt das insofern eine Rolle, als meinen Figuren dieses Alternierende auch zu eigen ist: Nie (nur) an einem Ort / in einer Welt zuhause sein, bei aller Sehnsucht danach.

Dein Waldviertler Domizil liegt in St. Leonhard am Hornerwald, dort, wo sich - um Plattitüden aus der Tierwelt zu bemühen - eher Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, als dass der Bär steppt. Was hat dich dorthin gezogen und zieht dich vermutlich immer noch an?
Die Natur. Weniger der Fuchs (frisst die Hühner) und der Hase (frisst unsere Salatpflänzchen), und Bären sah ich zum Glück noch nie, aber alles andere. Bäume, Büsche, Blumen, Wiese, Gemüse, Acker, Teich, ... Wenn wir zu unserem Bauernhof kommen, ist das, als ob die Tür zu einer anderen Welt aufgeht. Das liebe ich.

Du steuerst auch einen Beitrag zur Anthologie "Mein Waldviertel II" bei. Da geht es um einen Ausflug zu dritt ins nördliche Waldviertel. Im Text wird ein "freitäglicher Stammtisch beim Staar" (Kultgasthaus in St. Leonhard) erwähnt. Gibt es den tatsächlich bzw. wie funktioniert die Integration ins Dorfleben?
St. Leonhard ist eine sehr lebendige Gemeinde, es gibt zahlreiche Gruppen, Initiativen, Vereine, ... und ich bin zumindest im Bewusstsein, dass ich jederzeit mitmachen könnte. Wenn ich einkaufen gehe, treffe ich fast immer jemanden, mit dem ich besprechen kann, wieviel Millimeter es wo geregnet hat, und wenn sich ein Wildschwein in unser Hühnergehege verirrt, muss ich nur meinen Nachbarn anrufen und er kommt ganz selbstverständlich. Wenn ich etwas Spezielles brauche oder mich wo nicht auskenne, findet sich immer jemand, der mir weiterhilft. Vorzugsweise im Gasthaus Staar. Und ja, den Stammtisch gibt es: Wenn man am Freitag in die Wirtsstube kommt (übrigens in Wirklichkeit eine Wirtinnenstube), links hinten. Im Sommer wird er in den Gastgarten verlegt.
Wie die Integration von uns Zweitwohnsitzern in Leonhard funktioniert? Wenn man will, einfach mitmachen, würde ich sagen. Und nicht glauben, dass man dann ein Einheimischer ist.

Apropos Integration, darum geht es ja irgendwie auch in deinem Text "Im Inland", den du zur Themenausgabe "Wien" (DUM 41) beigesteuert hast. Es geht da um Schnitzel, Hunde und "inländisch inländisch aussehen". Ist die dörfliche Integration als ÖsterreicherIn unter ÖsterreicherInnen mit der als AusländerIn unter ÖsterreicherInnen vergleichbar?
Ich vermute ganz stark, dass man es selbst als Wienerin im restlichen Österreich leichter hat als jemand, der kein Österreicher ist. Ich denke: Je mehr Unterschiede es gibt, umso schwieriger ist es.

Nochmals zu deinem Buch. Was sind deine Erwartungen an den Roman?
Dass ich reich und berühmt werde! Nein. Erwartungen habe ich keine, aber Hoffnungen. Zum Beispiel, dass mir die Henriette den Weg zum nächsten Buch leichter macht.

Was sind deine weiteren literarischen Pläne?
Ich arbeite aktuell wieder an einem Roman. Und wenn ich mitbekomme, welche Themen gefragt sind, schreibe ich auch Texte für Literaturzeitschriften.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute für "Henriette lächelt"!


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