Daniel Stögerer legt sein Debüt mit Erzählungen in der Edition Keiper vor. Martin Heidl hat dem in Wien lebenden Autor Fragen gestellt.
Dein erster Erzählband erscheint im September 2023; ein Meilenstein für Dich, um in der "Literaturwelt" endgültig Fuß zu fassen?
Ein Meilenstein auf jeden Fall. Ob ich damit in der Literaturwelt Fuß fasse, hängt ganz davon ab, wie das Buch den Leserinnen und Lesern gefällt.
In dem Buch geht es, wie der Name schon vorweg nimmt, um Menschen. Woher nimmst Du die Geschichten?
Aus dem Leben. Ich möchte nicht über große Abenteuer schreiben, die niemand je erlebt hat. Vielmehr interessieren mich die kleinen, oft unfassbar tragischen Schicksale der Menschen, denen wir tagtäglich auf der Straße, in der Bim oder im Supermarkt begegnen.
Du arbeitest als Krankenpfleger in Wien und erlebst - sozusagen beruflich - jeden Tag diese "Geschichten". Wann hast Du begonnen, literarisch einzutauchen und insbesondere, wann kannst Du Dir die Zeit nehmen, diese festzuhalten?
Gute Frage. Einen klaren Anfangspunkt gibt es da glaube ich nicht. Irgendwann habe ich angefangen, mich mit den Schicksalen auseinanderzusetzen, mit denen ich in der Arbeit konfrontiert werde. Das hat dann zunehmend Einfluss auf mein Schreiben genommen. Allerdings fließen Erfahrungen aus meinem Privatleben genauso mit in meine Texte.
Zeit nehme ich mir die, die bleibt. Da gehen halt die paar freien Tage drauf, die einem der Pflegeberuf lässt. Aber die Ruhe beim Schreiben ist ein wunderbarer Ausgleich zu den Turbulenzen im Krankenhaus.
Dient Dir das Schreiben als eine Art Verarbeitung des Gesehenen oder Gehörten oder Erlebten?
Unbewusst schon, glaube ich. Ich setze mich nicht aktiv hin und versuche jetzt bestimmte Traumata zu verarbeiten. Mir fällt aber nach Abschluss mancher Texte auf, dass da irgendwie Dinge mitreingeflossen sind, die mich in letzter Zeit oft beschäftigen. Die Themen bahnen sich quasi von selbst den Weg nach draußen.
Empathie ist einer der Grundpfeiler, die Deine Erzählungen ausmachen. Hattest Du immer schon ein Ohr für die lebensnahen Momente?
Wer urteilt, versteht nicht. Und wer versteht, urteilt nicht. Ich hab immer schon gerne zugehört, und je mehr Menschen mir ihre Geschichten erzählt haben, desto klarer ist mir geworden, wie viel Wahrheit in dieser Wendung steckt. Hinter jedem moralisch noch so verwerflichen Charakter steckt ein Mensch, der liebt, leidet, hofft und träumt.
Wie gesagt die Edition Keiper verlegt Dich. Wie bist Du zu dem Verlag gekommen oder ist der Verlag zu Dir gekommen?
Nein, ich habe aktiv Exposés ausgeschickt. Und ich war sehr dankbar, als Frau Anita Keiper auf meine E-Mail geantwortet und mich um das Manuskript gebeten hat.
Du bist bereits seit einigen Ausgaben (fünf Veröffentlichungen seit DUM # 90) ein "fester Bestandteil" unseres Magazins und, ehrlich gesagt, ich freue mich immer, wenn ich glaube von Dir (wir bekommen die Manuskripte anonymisiert) zu lesen, da Deine Geschichten immer den besonderen Blick auf das Menschsein haben.
Das freut mich!
Wie bist Du zum Schreiben gekommen und wie hast Du dann begonnen Deine Gehversuche anzubieten?
Angefangen habe ich mit Gedichten, die ich gerade mal meiner Mama und meiner Deutschlehrerin gezeigt habe. Das positive Feedback hat mich dann ermutigt, Kurzgeschichten für Ausschreibungen zu Anthologien zu schreiben. Als da dann die ersten Zusagen gekommen sind, bin ich vollends ins Schreiben gekippt.
Bevorzugst Du bestimmte Schreiborte und Schreibzeiten?
Das lässt mein Beruf nicht zu. Ich schreibe, wann und wo ich gerade kann.
Du übst "noch" einen Brotberuf aus, der eine Berufung erfordert; ist das Schreiben auch eine Art Berufung und ist es für Dich vorstellbar oder erwünscht einmal vom Schreiben leben zu können?
Ich glaube, den Wunschtraum hegt jeder. Schön wäre es schon, aber ganz würde ich die Krankenpflege auch nicht aufgeben wollen. Ich mache den Job sehr gerne.
Wie verbringst Du die Zwischenzeiten?
Mit Freunden, beim Wandern oder mit einem guten Buch auf der Couch.
"So ein Mensch" erscheint nun - damit ist der Schritt in die "Öffentlichkeit" getan; das heißt, es werden Lesungen folgen, Veranstaltungen. Freust du dich darauf?
Und wie! Am 5. Oktober um 20 Uhr präsentiere ich das Buch im Wiener Café Anno. Der Dialektmusiker Severin Gomboc wird da auch sein neues Album vorstellen. Und am 9. November lese ich gemeinsam mit der Autorin Nora Sophie in der Buchhandlung Ortner in der Tigergasse. Uhrzeit wird noch bekannt gegeben.
Arbeitest Du schon an weiteren Erzählungen oder schon an einem Roman?
Ich arbeite seit letztem Jahr mit Feuer und Flamme an meinem ersten Roman. Freu mich schon drauf, das ganze Manuskript in den Händen zu halten.
Was liest Du derzeit?
Kazuo Ishiguros "Was vom Tage übrig blieb", Tolstois "Anna Karenina" und A. A. Milnes "Pu der Bär".
Herzlichen Dank für das Interview!
Danke für die Einladung!
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