Silke Gruber stellt das Idealbild einer coolen, reschen Tirolerin dar: leicht hantig, nicht unkantig, aber urlieb und all das und schlicht saugut sind ihre Texte. Sie switcht zwischen Dialekt und Hochsprache hin und her, sie ist auf der Bühne und in der Internetparallelwelt tätig, sie ist Putzfrau, Korrekturleserin und Mutter, ist Teil der Innsbrucker Lesebühne FrauHerrmannsKaterstrophen5000 (FHK5000) und die Poetry-Slam-Würdigungspreisträgerin 2022 des Landes Tirol und der Stadt Innsbruck. Silke Gruber ist geländegängig und vorstadtversiert; sie ist ein bissi streng (korrekt könnte man auch sagen), aber wenn man das weiß, tut's nur mehr selten ein bissi weh.
Das Mail-Interview fand in Zügen (Silke: Innsbruck-Graz, Markus: Langenlois-Salzburg) und vom 20.10.2022 bis zum Nationalfeiertag statt und ist dennoch nicht feierlich entgleist, sondern gut angekommen.
DUM: Wann hast du den ersten Text, der für die Öffentlichkeit bestimmt war, geschrieben? Was war das? Für welchen Anlass?
SILKE GRUBER: Den ersten Text für einen Poetry Slam hab ich 2008 geschrieben. Darin ging es um nicht vorhandene Textideen, und ich hab den berühmten Silke-Rilke-Reim zum ersten und bis dato letzten Mal bemüht. Meine allererste Veröffentlichung fällt in die späten 1980er, damals wurde meine Geschichte "Die Zwillingssemmeln" (inhaltlich fast alles geklaut von Hans Christian Andersen) auf Radio Tirol vorgelesen.
In den 90ern? Erzähl. Wettbewerb oder was? Und dann gleich Radio. Toll. Dann hast du aber schon weiter gemacht oder?
Ob das ein Wettbewerb war, kann ich dir leider nicht mehr sagen. Ich weiß nur noch, dass ich circa acht war und mich gewundert hab, als "Frau Silke Gruber" vorgestellt zu werden. Geschrieben hab ich im Volksschulalter wie die Irre. Aber eben fast nur für die Schublade. Einmal hab ich eine 120-minütige Lesung auf Kassette aufgenommen und an Thomas Brezina geschickt. Es hat zwar eine halbe Kindheit lang gedauert, aber irgendwann kam tatsächlich ein lieber Brief mit Autogramm zurück.
Die Brezina Post ist sicher schon was wert: Rücklage für schlechtere Zeiten. Und wie kam es dann zum literarischen Outing? Wer hat dich dazu motiviert?
Da fragst du noch! Es gab glaub ich mal ein Text ohne Reiter-Gastspiel in Hall und kurz darauf einen Outdoor-Stromboli-Slam (vor dem Café Espresso).
Alles wichtig für die Geschichtsschreibung. Und dann bist du da in die Lesebühnen- und Slam-Szene reingeschlittert und aufgegangen und wann ging das mit dem Verschicken los?
Meine erste Veröffentlichung im DUM war 2016. Bei mir mahlen die Mühlen manchmal etwas langsam ... Und wer mich dazu wieder quasi überreden musste, weißt du eh :-)
Ich nehme das gerne auf meine Kappe. Darf sich DUM auch rühmen, deine Dialektleidenschaft erweckt zu haben? Was hat der Dialekt mittlerweile für eine Funktion in deinem Schreiben? Wann verwendest du Dialekt, wann Hochsprache?
Die Auseinandersetzung mit dem Dialekt hat ihren Ursprung in meiner Zeit als Studentin. Als angehende Deutsch-Lehrerin wollte ich mir unbedingt eine gehobene Umgangssprache angewöhnen - das ist mir aber ums Verrecken nicht gelungen ... Irgendwann ist von der Hassliebe zum Dialekt halt mehr die Liebe geblieben. Im Dialekt lassen sich Gefühle unter Umständen prägnanter, eindeutiger, unverblümter beschreiben. Nach Gefühl entscheide ich aber auch, welche Sprachvarietät ich für einen Text verwende. Regeln gibt es da keine, oft entstehen Mischformen. Bei manchen Ausdrücken fände ich es einfach schade, wenn sie aus dem Sprachgebrauch verschwinden würden, und baue sie deshalb ein.
Und was sind aktuell deine Lieblingsdialektwörter?
Hardigatti! Da gibt's ja eine ewige Liste ... Vier Evergreens: ålm, zwida, eppa, geschtrig (ergäbe schon ein passables Gedicht). Drei schöne Nomen: Glump, Graffl, Purzigågl. Zwei schöne Verben: datoan, zunischliafn. Und ganz neu gelernt: Åndaschtwoheriga.
Jetzt ist ja eindeutig Zunischliafn-Zeit. Im Schimpfen ist der Dialekt ja groß und reich. Wie schaut es mit Ausdrücken der Freude aus?
Es passiert vielleicht nicht unbedingt oft, dass sich jemand tatsächlich an Haxn ausgfreit. Aber man kann obrechn, sich opeckn, sich ofetzn, sich weckhaun vor Lachen. Hetzig hammas also offensichtlich schon gern.
Also i gfrei mir ja schon an Haxn aus, dass du 2022 den Poetry-Slam-Würdigungspreis der Stadt Innsbruck und des Landes Tirol kriegst und bin schon gespannt, ob ihn der Herr Landeshauptmann Mattle, der ja neuerdings für Kultur zuständig ist, übergeben wird. Und weil wir grad beim Feiern sind: DUM wird heute (23.10.2022) 30 Jahre. Was wünschst du dem DUM und was wünschst du dir vom DUM?
Was ich dem DUM wünsche: natürlich noch mindestens tausend weitere Jahre. Was ich mir von DUM wünsche: nichts - bin rundum zufrieden.
Beschreibt die Rundumzufriedenheit auch dein aktuelles Schreiben? Was sind so deine Ziele, Wünsche, Vorstellungen? Wie wirst du das Slam-Preisgeld auf den Kopf stellen?
Ich hab irgendwann mal gepostet "Wenn ich groß bin, will ich Margit Schreiner werden." Das ist inzwischen nicht mehr unbedingt mein Ziel; ich bin schon seit ein paar Jahren dabei, Silke Gruber zu werden - und wehre mich gar nicht mehr dagegen! Dieses "Werden" bedeutet für mich Freiheit, sei es in der Form, im Medium (Stichwort: Instagram), in der Sprache, im Genre. Müssen tu ich zum Glück gar nichts ‒ wäre da nicht das Stimmchen in meinem Kopf, das immer lauter "eigenständige Publikation" flüstert ...
Ich seh schon, auf die Preisgeldfrage kriege ich keine Antwort, kannst du den DUM-Leser*innen verraten, was du auf Insta treibst?
Ma, entschuldige! Heut hab i a Matschbirne vom vielen Zipfer ... Das Preisgeld: wird voazua in Lebensmittel investiert. Instagram: ist für mich ein Spielplatz, auf dem ich mich kreativ austoben kann. Unter dem Hashtag #diefemininepose poste ich z.B. unterschiedlichste Selbstporträts. Auch ein Lampenschirm oder ein Lattenrost lassen sich literarisch bearbeiten. Der Vorteil vom lieben Internet: Um das Ergebnis mit anderen zu teilen, muss ich keinen Ausstellungsraum anmieten. Außerdem lieb ich die Möglichkeiten der Text-Bild-Kombination bei kurzer Prosa oder Lyrik.
Was war denn so die liebste/schrägste/interessanteste Reaktion auf einen deiner Insta-Beiträge?
Wenn ich viel Muskeln respektive Haut zeige, werde ich natürlich von Sexbots zu Tode kommentiert. Es gibt aber auch liabe Komplimente, zb ich würde Celeste Barber Konkurrenz machen. Jemand (Dominika Meindl) hat mich mal als "Lichtblick in den sozialen Medien" bezeichnet. Oder, eine besondere Ehre: Nava Ebrahimi hat eins meiner Gedichte gelikt. Schön ist auch der Kontakt zu (und sind die Likes von) Autorinnen, die wie ich Mutter sind, was ja nach wie vor eher die Ausnahme ist. Das Wissen, dass andere Schreibende sich auch mit vermeintlich banalen Themen wie spinnatn Kindern herumschlagen, während sie an einem Gedicht feilen, verbindet. Außerdem versuch ich mir sowieso IMMER einzureden: Das Banale gibt es nicht.
Was, wie ich finde, der perfekte Abschlusssager ist. In diesem Sinne: Banalles Gute!
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