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ALS JESUS IN DIE PUSZTA KAM

Wolfgang Kühn interviewt: Gábor Fónyad
"Gábor Fónyad legt mit seinem neuen Buch eines der originellsten Bücher der letzten Monate vor, ein Text voller Witz, in dem viel politische Brisanz steckt", so Katja Gasser vom ORF. DUM-Redakteur Wolfgang Kühn hat dem im Weinviertel lebenden Autor zehn Fragen gestellt ...


DUM: Dein Roman "Als Jesus in die Puszta kam" spielt hauptsächlich in einem kleinen Dorf in der ungarischen Einöde. Ein großer Lesespaß für Österreicher*innen. Doch wie sehen das unsere ungarischen Nachbarn?

GÁBOR FÓNYAD: Viele erkennen eigene Erlebnisse wieder, manches kommt ihnen vertraut vor. Allerdings fällt das Spiel mit den langen Ortsnamen weg, weil Muttersprachler*innen ja die Wörter auf Anhieb richtig lesen können. Lustigerweise wurde ich schon öfters umgekehrt gefragt, was Österreicher*innen mit der Puszta anfangen können.

Ist geplant, dass das Buch auch auf ungarisch erscheint?

Bis jetzt gibt es noch nichts Konkretes, aber ich habe bereits meine Fühler ausgestreckt, mal sehen. Eine Übersetzung ins Ungarische wäre auf jeden Fall wünschenswert und auch sinnvoll. Wenngleich mir immer wichtig ist zu betonen, dass die Handlung überall spielen könnte und es in diesem Sinne kein spezifisch ungarnbezogener Roman ist. Er ist in keiner Weise als Ungarn-Bashing gedacht!

Der Roman schreit förmlich nach Verfilmung. Gibt es da schon irgendwelche Ideen / Anfragen?

Bis jetzt noch nicht. Tatsächlich habe ich mir aber beim Schreiben einzelne Szenen immer wieder bildlich vorgestellt, vor allem die eingeschobenen Western-Abschnitte habe ich ganz klar vor mir auf der Leinwand gesehen. Ich bin offen für Vorschläge!

Verschwörungstheorien und Fake News hat es vermutlich immer schon gegeben. In letzter Zeit scheinen sie jedoch auf fruchtbareren Boden zu fallen. Wie siehst Du das?

Ich habe den Roman vor Corona und QAnon zu schreiben begonnen. Ich hatte sogar schon die eine oder andere impfskeptische Verschwörungstheorie drinnen, ehe diese Bewegung salonfähig wurde. Als ich gegen Ende des Romans mir teilweise nicht sicher war, ob ich da nicht zu dick auftrage, vor allem bei einer Kirchenszene, in der - ohne zu viel zu verraten - die Anhänger des ungarischen Jesus durchdrehen, sah ich auf einmal in den Nachrichten einen Typen mit nacktem tätowiertem Oberkörper und einer Büffelfellmütze, der sich vor dem Weißen Haus wild gebärdete und herumbrüllte. Da merkte ich: Nein, das ist nicht übertrieben, was ich da soeben geschrieben habe. Man könnte auch sagen: Die Realität hat sozusagen von mir plagiiert.

War es schwierig für "Als Jesus in die Puszta kam" einen Verlag zu finden bzw. wie bist Du auf "Elster & Salis" gestoßen?

Der Verlag ist auf mich zugekommen, wir hatten ein sehr gutes Gespräch und ich habe daraufhin mein Manuskript (das zu dem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war) hingeschickt. Die Lektorin war zum Glück sofort überzeugt. Danach haben wir noch viel gemeinsam am Text gearbeitet. Wofür ich sehr dankbar bin, denn dafür braucht ein Autor ja einen Verlag.

Du unterrichtest an einem Gymnasium in Niederösterreich und an der Universität Wien - das klingt nach Fulltime-Job. Wie schaffst Du es, Dir Zeit zum Schreiben freizuschaufeln?

Nicht zu vergessen die zwei Kinder! Aber eigentlich ist das gar nicht so schwierig, wie viele glauben. Ich schaue, dass ich keine volle Lehrverpflichtung habe, dann geht es sich ganz gut aus. Und auf der Universität habe ich pro Semester nur eine oder zwei Lehrveranstaltungen. Man muss sich natürlich die Zeit gut einteilen, aber das müsste man so oder so. Man darf halt keine zeitintensiven Hobbys haben.

Du hast einen Brotberuf und "musst" nicht von der Literatur leben. Ist da tief drinnen eine Sehnsucht, vielleicht doch einmal (ausschließlich) vom Schreiben leben zu können?

Derzeit ehrlich gesagt nicht. Einerseits muss ich ganz offen gestehen, dass eine feste Anstellung auch etwas Beruhigendes hat und sich gerade auf das Schreiben positiv auswirkt - ganz einfach, weil ich nicht bei jedem Satz daran denken muss, wie sich das Buch denn verkaufen wird. Man hat insgesamt weniger Druck. Andererseits ist es schon auch so, dass ich gerne unterrichte. Sonst wäre es gewissermaßen Verrat an meinen Schüler*innen. Ich habe täglich mit Menschen zu tun, das ist ja etwas Schönes, außerdem unterrichte ich Deutsch (auf der Universität germanistische Sprachwissenschaft), da gibt es also genug Überschneidungen mit meinem literarischen Ich.

Was sind für Dich die wesentlichen Wesensunterschiede zwischen Österreicher*innen und Ungar*innen? Und wie viel Ungarn ist in Dir?

So allgemein kann man das auf keinen Fall sagen. DEN Ungarn und DEN Österreicher gibt es natürlich nicht. Was für meinen Roman wichtig war, war jedoch die Tatsache, dass die Frage nach der Herkunft des ungarischen Volkes und der ungarischen Sprache in Ungarn einfach ein gesellschaftlich relevantes Thema ist. Man kann sich das bei uns schwer vorstellen, aber Fragen der Sprachverwandtschaft werden dort politisch verhandelt. Niemand würde in Österreich ernsthaft darüber diskutieren, ob Deutsch eine indogermanische Sprache ist oder nicht. Das interessiert niemanden. In Ungarn aber wollen sich viele Menschen nicht mit der wissenschaftlich belegten Tatsache abfinden, dass Ungarisch eine finnisch-ugrische Sprache ist, und suchen sich Verwandte, die ihnen besser ins Weltbild passen. Sei es das Sumerische, die Turksprachen, das Etruskische oder auch das Altgriechische. Stichwort: Alternative Geschichtsschreibung. Ungarn ist insofern nach wie vor in mir, als ich zweisprachig bin und auch mit meinen Kindern ungarisch rede.

Könntest Du Dir vorstellen, im derzeitigen Ungarn zu leben?

Nein. Aber das hat jetzt gar nicht so viel mit der derzeitigen politischen Lage zu tun, auch vor 15 Jahren hätte ich nicht in Ungarn leben wollen. Ich bin in Österreich aufgewachsen, ich habe hier meinen Lebensmittelpunkt und habe nie in Ungarn gelebt. Außerdem - so ehrlich muss man sein - ist der Lebensstandard in Österreich einfach ungleich höher.

Was sind Deine nächsten literarischen Pläne?

Ich habe soeben einen neuen Text begonnen. Ich bin selber gespannt. Das ist ein bisschen wie am Anfang einer Beziehung: Man ist noch frisch verliebt und neugierig, man tastet sich aneinander heran und weiß nicht so genau, wo die Reise hingeht. Thematisch geht es um etwas ganz Anderes. Mehr will ich derzeit aber noch nicht verraten.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft!




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