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Stalag XVII B
©Karin Böhm

Lokale Hilfskräfte
©Sammlung JF Sochurek


"NICHTS ZU SEHEN?"

Mittwoch, 7. Mai 2025, 19 UHR
vierzigerhof, Rudolfstraße 11, 3550 Langenlois
Eine Collage aus Fotografien & Geschichte(n) über Stalag XVII B Krems-Gneixendorf

Von und mit Karin Böhm (Fotografin), Edith Blaschitz (Historikerin) und Dorli Demal (Leiterin Stadtarchiv / Topothek Langenlois)

Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Stadtbücherei Langenlois.

Beginn: 19 Uhr (Einlass ab 18 Uhr)
Eintritt: € 14,-- (AK) bzw. 12,-- (VVK)
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Buch: NICHTS ZU SEHEN? Stalag XVII B Krems-Gneixendorf - eine topografische Vermessung. Karin Böhm und Edith Blaschitz. Bibliothek der Provinz. 2024.

Buch: NS-Lager und Zwangsarbeit im Bezirk Krems (1939-1945). Citizen Scientists suchen nach Spuren. Hrsg. von Edith Blaschitz, Karin Böhm und Carl Philipp Hoffmann. University of Krems Press. 2024.

Das größte Kriegsgefangenenlager des Zweiten Weltkriegs auf dem Gebiet des heutigen Österreichs befand sich in der Nähe des Dorfes Gneixendorf außerhalb der Stadt Krems: das Stalag XVII B Krems-Gneixendorf. Zeitweise waren hier bis zu 60.000 Kriegsgefangene verschiedener Nationalitäten interniert. Davon ist heute kaum noch etwas zu sehen. Auf dem Gelände befindet sich ein Flugplatz mit angrenzendem Restaurant sowie Straßen, Wälder, Wiesen und Felder. Auf dem verwilderten Gelände in der Nähe des Flugplatzes sind einige Überreste der Fundamente der Militärbaracken erhalten, sowie weiter östlich ein Wasserreservoir. Die Stahltafeln einer Kunstinstallation und einige verwitterte Gedenksteine verweisen auf die Geschichte des Ortes.

Beharrliche Auseinandersetzung

Die Fotografin Karin Böhm hat für das Buch "Nichts zu sehen?" das rund einen Quadratkilometer große Gelände zwei Jahre lang immer wieder aufgesucht. Bei der Wahl ihre Wege ließ sie sich von ihren Interessen, ihrem Wissen und ihrer Intuition leiten. Ihre beharrliche Auseinandersetzung mit dem Ort führte zu einer fotografischen Beobachtung und Vermessung. Karin Böhm fand Relikte der Vergangenheit, verwilderte Natur sowie zeitgenössische Nutzungen des Ortes und hielt die Aufnahmestandpunkte mit Geokoordinaten fest.

Parallel zu ihrer Arbeit erforschte die Historikerin und Kulturwissenschaftlerin Edith Blaschitz im Rahmen des Forschungsprojekts "NS-Volksgemeinschaft und Lager im Zentralraum Niederösterreich Geschichte - Transformation - Erinnerung" historische Quellen zum Stalag XVII B. Diese Recherchen ergaben neue Erkenntnisse über die französischen Kriegsgefangenen, die größte nationale Gefangenengruppe, sowie über die bisher wenig erforschten belgischen, italienischen, serbischen und spanischen Kriegsgefangenen. Die Perspektiven der Internierten, ihre Kontakte zur lokalen Bevölkerung und die Auseinandersetzung mit der Erinnerung an das Lager standen im Mittelpunkt dieses Forschungsprojekts, das auch Interviews und Korrespondenzen mit den wenigen überlebenden Zeitzeugen sowie Nachkommen der Kriegsgefangenen, dem Lagerpersonal und der Anwohnerin der umliegenden Städte umfasste.

Vergilbte Fotografie

Karin Böhm verwebte ihren Überblick über den heutigen Ort mit den historischen Dokumenten und aktuellen Reaktionen aus dem Forschungsprojekt - Fotografien, Zeichnungen, Briefe, E-Mails, Interviews, Tagebucheinträge, Karten und Dokumentationen - zu einem dichten visuell-textuellen Ensemble. Vier Kapitel, beginnend mit Zitaten und persönlichen Notizen, sind den Kriegsgefangenen, deren Arbeitseinsätzen, dem Lagerpersonal und der Spurensuche der Nachkommen gewidmet. Historische und gegenwärtige Fotografien werden in Dialog miteinander gesetzt und eröffnen so neue Betrachtungsebenen. Die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart wird nicht nur in den fotografisch dokumentierten Spuren des historischen Ortes sichtbar, sondern auch in den Reproduktionen historischer Dokumente, die mit "Spuren" der Gegenwart gekennzeichnet sind - eine vergilbte Fotografie in den Händen ihres Besitzers, ein Tisch im Archiv.

Karin Böhm und Edith Blaschitz fragen immer wieder nach dem Zusammenhang zwischen einem Ort, der heute "leer" erscheint, aber im Gedächtnis vieler Familien weltweit verankert bleibt, und der Vergangenheit. Gemeinsam reflektieren sie die Bedeutungen, die vor dem Hintergrund historischer Ereignisse evoziert werden.

Karin Böhms Fotografien bedürfen manchmal eines zweiten Blicks, um Details wahrzunehmen, woraufhin vermeintlich idyllische Bilder zerbröckeln. Im Buch "Nichts zu sehen?" analysiert die Kunsthistorikerin und Bildwissenschaftlerin Viola Rühse ausgewählte Aspekte dieses komplexen künstlerischen "Bild-Text-Mosaiks" in einem abschließenden Essay, der ein besonderes Augenmerk auf die Bilder der Gegenwart legt.

Dorli Demal hat sich intensiv mit dem Material im Stadtarchiv Langenlois auseinandergesetzt und präsentiert in ihrem Beitrag zum oben genannten Forschungsprojekt mit dem Titel "Spurensuche NS Zwangsarbeit in Langenlois" die bisher unbekannte Geschichte der zivilen "Fremdarbeiter" und der Kriegsgefangenen aus dem Stalag XVII B Krems Gneixendorf in ihrem Heimatort. Zeitzeug:inneninterviews und Kontakte mit Nachkommen französischer Kriegsgefangenen ergänzten ihre Forschungen.


Edith Blaschitz, Historikerin, Assistenzprofessorin für transdisziplinäre Kunst- und Kulturforschung, Leitung des Stabsbereichs "Digital Memory Studies" am Department für Kunst- und Kulturwissenschaften der Universität für Weiterbildung Krems. Forschungsschwerpunkte: mediatisierte Erinnerungskulturen, Invisible Heritage ("belastetes Erbe", Frauengeschichte, etc.), Spatial History, Medien- und Filmgeschichte.

Karin Böhm, Absolventin des Masterprogramms Bildwissenschaft an der Universität für Weiterbildung Krems und des fotoK-Lehrgangs für künstlerische Fotografie in Wien. Stipendiatin für künstlerische Fotografie in Rom und Paris. Ihre Arbeiten wurden in nationalen und internationalen Ausstellungen gezeigt. Intention des Bild-Text-Mosaiks zum Stalag XVII B ist die Verschränkung der eigenen künstlerischen Praxis mit historischer Forschung, um so komplexe Themen neu zu kontextualisieren und sichtbar zu machen.
karinboehm.at

Dorli Demal lebt in Langenlois, unterrichtet am BORG für Leistungssportler in St. Pölten Geschichte und Französisch, leitet und betreut ehrenamtlich das Stadtarchiv und die Topothek der Stadtgemeinde Langenlois.