Lesung: Daniela Dangl liest über "Das Schweigen der Heimat"
Film: "Persona Non Grata" (2023) von Antonin Svoboda, 90 min. über (Macht-)Missbrauch im Skisport
Gespräch: mit Ex-Skirennläuferin Nicola Werdenigg
Beginn: 19 Uhr (Einlass ab 18 Uhr)
Eintritt: € 14,-- (AK) bzw. 12,-- (VVK)
Daniela Dangl, 1974 im Waldviertel geboren und aufgewachsen, das Germanistik- und Geschichtestudium in Wien absolviert und wieder nach Waidhofen an der Thaya zurückgekehrt, wo sie mit ihrer Familie lebt und zum Unterrichten nach Horn pendelt. Daniela Dangl fokussiert in ihren Kurzgeschichten Beziehungen und thematisiert das Schweigen der Heimat. Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien.
PERSONA NON GRATA
Als der Mann der ehemaligen Skirennläuferin Andrea Weingartner (Gerti Drassl) überraschend stirbt, zerfällt das stabile Lebensgefüge, alte Gespenster tauchen wieder auf. Ganz stimmt es nämlich nicht, was die Skifahrer-Dynastie-Eltern Andrea noch immer vorhalten: "Hingeschmissen hat sie!" Denn bevor die junge Skifahrerin (Österreichische Meisterin 1975!) ihre Karriere beendete, ist noch etwas anderes passiert. Und dann kam die Ehe, die Tochter, die Jahrzehnte mit der eigenen Ski-Schule.
Nach Erichs Tod ist es still. Ein übergriffiger Nachbar wird für Andrea zum Erinnerungs-Trigger. Als sie zur Polizei geht, findet sie keine Hilfe. Aber nach einem Zusammenbruch hat sie Zeit, in aller Ruhe nachzudenken. Weingartner geht in sich, und dann macht sie etwas, das sie noch nie gemacht hat: Sie ruft in der Redaktion einer Tageszeitung an. Kommt mit einem Redakteur (Lukas Miko) ins Gespräch. Und dann packt sie aus. Ruhig, besonnen und mit großer Präzision schildert sie, wie sie als junge Skifahrerin vergewaltigt wurde. In klaren Worten umreißt sie ein ganzes System von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt an den Skischulen. "Es war ein Bonus-System: Es gab Bonuspunkte für's Zuschauen und für's Mitmachen". Nein, Weingartner macht sich damit keine Freundinnen, keine Freunde, auch ihre eigene Familie reagiert zuerst mit völligem Unverständnis. Der Gegenwind ist stark. Aber: Das hält sie aus. "Glatteis bin ich gewohnt", sagt sie einmal im Fernsehen.
System von Übergriffen von Trainern, Betreuern und Kollegen
Die Dinge beim Namen zu nennen, den Mund aufzumachen, nicht weiter zu schweigen, die Behauptung "Es ist doch nichts passiert" nicht länger unwidersprochen zu dulden, oder einen Verband, der sich selbst kontrolliert - das ist wichtig, für Andrea, aber auch für die ganze frühere Generation und vor allem für die von heute. Irgendwann versteht das auch ihre Tochter Sara (Maya Unger). Die den Menschen nicht kennt, die Person, die ihre Mutter war, bevor sie eben ihre Mutter wurde. Und so wird Andreas Gang an die Öffentlichkeit zur Basis einer neuen Beziehung zwischen ihr und Sara. Österreich hatte kein "#metoo"? Oh, und wie! Die ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg hat am 20. November 2017 in der Tageszeitung "Der Standard" in einem Interview das System von Übergriffen von Trainern, Betreuern und Kollegen öffentlich gemacht. Der Fall schlug große Wellen, nicht nur in Österreich. Auch die vorgestrige Reaktion des Skiverbandes.
Der Film versteht sich nicht als Biopic oder Autobiografie, sondern will anhand des Falls die Systematik von Machtmissbrauch und seiner Folgen im menschlichen Gefüge ganzer Generationen aufzuzeigen. Krankenhausgänge, eine frisch vereinsamte Wohnung, leere Hotelzimmer, traurige Bars - vor dieser Kulisse, fern vom bunten Skizirkus mit seinen fröhlichen lauten Massen von Fans, erzählt Antonin Svoboda den stillen Beginn einer nicht aufhaltbaren Revolution. Nah an seiner mutigen Protagonistin (Kamera: Mario Minichmayr), auch wenn ihr speiübel wird vor Angst, und mit einem Soundtrack, der auf gute Weise Ecken und Kanten hat (Musik: Lisa Montan), ist PERSONA NON GRATA tatsächlich ein Heldinnenepos: Nicht die Story einer Verwundeten, sondern von neugewonnener Stärke, von Beherztheit, mit Wärme, tiefer Empathie und auch Humor, und nicht zuletzt die Erzählung einer Zeitenwende.
Gedreht wurde von Oktober bis Dezember 2022 in Österreich, Griechenland und Südtirol - in Tirol wollte man den Film nicht.
filmladen.at/film/persona-non-grata
Trailer: youtube.com/watch?v=YZMYa0H4UYw
Nicola Werdenigg, 1958 in Innsbruck geboren, ist eine ehemalige Skirennläuferin und Aktivistin gegen Machtmissbrauch im Sport. 2017 brachte sie die Aufarbeitung von systematischem Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt im Skisport ins Rollen. Heute setzt sich Werdenigg mit ihrem Institut #Wetogether für Präventionsarbeit ein und kämpft für Menschenrechte und gegen strukturellen Machtmissbrauch.
Nicola Werdenigg wuchs in einer Tiroler Skifamilie auf. Die Eltern hatten eine Skischule, beide Eltern und der Bruder bestritten ebenfalls erfolgreich Skirennen. Bereits mit 23 Jahren beendete sie wegen Differenzen mit dem Skiverband ihre Rennkarriere.
2017 veröffentlichte "Der Standard" Werdeniggs Sportmonolog. Sie sprach darüber, dass sie als Teenager von einem Mannschaftskollegen vergewaltigt wurde und erzählte von strukturellem Machtmissbrauch und sexueller Gewalt im Skisport. Der Skiverband drohte ihr nach den Enthüllungen mit Klagen. Nicola Werdenigg wurde von unterschiedlichen Seiten als "Lügnerin" bezeichnet.
Später wurden ihre Aussagen und die vorhandene sexuelle Gewalt, vor allem beim Skinachwuchs, durch eine Expertenkommission des Landes Tirol bestätigt. Es meldeten sich weitere Betroffenen, auch in anderen Ländern, mehr Fälle wurden bekannt. Konsequenzen folgten: Entlassungen im Skiverband und rechtskräftige Verurteilungen.
Werdenigg gründete gemeinsam #WeTogether, ein Institut für Prävention von Machtmissbrauch im Sport. 2018 erhielt sie den Frauenring-Preis, 2019 den Ute-Bock-Preis für Zivilcourage.