Lesung: Zdenka Becker aus "Hinterm Berg" aus der Anthologie "Grenzenlos?" (Literaturedition Niederösterreich 2020) sowie dem Romanmanuskript "Tanzen im Kopf"
Film: "24 Stunden" von Harald Friedl (Polyfilm 2024) über den 24 Stunden Alltag einer rumänischen Pflegerin
plus anschließendes Gespräch
Beginn: 19 Uhr (Einlass ab 18 Uhr)
Eintritt: € 14,-- (AK) bzw. 12,-- (VVK)
Karten bestellen
24 STUNDEN
24 Stunden, sieben Tage die Woche. Rund 62.000 osteuropäische Pfleger*innen sind derzeit als 24-Stunden-Betreuung in Österreich engagiert. Harald Friedl begleitet eine von ihnen in ihrem Pflegealltag fern der Heimat. Ein Film über tagtägliche Fürsorge und Altern in Würde. Über das Weggehen und Gehenlassen.
Die 50-jährige Rumänin Sadina Lungu ist 24-Stunden-Pflegerin. Seit Jahren kümmert sie sich mit Hingabe um die 85-jährige Elisabeth Pöschl in Bad Vöslau. Das Leben Sadinas ist eintönig und kräfteraubend. Morgenwäsche, Körperpflege, putzen, kochen, einkaufen, Gesellschaft leisten ... Sadina ist pflegende Stütze und Freundin zugleich - rund um die Uhr und unabhängig des eigenen Gemütszustands. Manchmal, so scheint es, ist sie auch Gegenspielerin. Etwa wenn Elisabeth einen schlechten Tag hat und das Essen verweigert. Doch die beiden verstehen und mögen einander. Als eingespieltes Team scherzen und schimpfen sie in gelernter Routine.
Drei bis fünf Monate
Manchmal plagt Sadina die Einsamkeit abseits des eigenen Zuhauses. Fitnessübungen, Rauchen und Online-Gespräche mit Familie und Freund*innen in Rumänien helfen ihr dann durch die Tage. Schon 14 Jahre lang hält sie jeweils drei bis fünf Monate am Stück durch, ehe sie für einen Monat nach Hause aufbricht, um mit ihren Liebsten, die sie finanziell unterstützt, zusammen zu sein. Mit derart langen Einsätzen ist Sadina eine seltene Erscheinung in der Branche. Wie bewältigt sie aber ihr Leben fern der Heimat ohne sich davon zu entfremden? Wie schafft sie es unter vielfältigen körperlichen und mentalen Herausforderungen bei sich zu bleiben und selbst noch etwas vom Leben zu haben?
In ruhiger Beobachtung schöpft der Dokumentarfilm "24 Stunden" seine emotionale Kraft primär aus der Figur der einnehmenden Protagonistin Sadina Lungu. Über deren Online-Kontakte mit Kolleginnen erzählt er gleichzeitig von den Gefahren und Ausbeutungsverhältnissen in der Pflegebranche, die sich nur wegen der extremen sozialen Schieflage in Europa so hartnäckig halten können. Es sind Erzählungen von großer sozialpolitischer Relevanz und Dringlichkeit. Denn Sadina steht in diesem Film nicht nur für sich allein, sondern für geschätzte 62.000 osteuropäische Pfleger*innen, die in Österreich arbeiten.
"Harald Friedls dokumentarisches Porträt besticht durch die Sorgfalt, mit der hier von Sorgearbeit erzählt wird. Mit großer Zurückhaltung der Kamera bei gleichzeitiger Nähe dokumentiert der Regisseur Sadinas Alltag. Dabei gelingt es ihm, sie nicht als Opfer der Umstände, sondern als Person erscheinen zu lassen, die es entgegen aller Widrigkeiten schafft, sich auch um sich selbst zu kümmern."
(Eva Königshofen, Diagonale 2024)
HARALD FRIEDL
Geboren 1958 in Steyr. Studium der Germanistik und Anglistik an der Universität Salzburg. Zivildienst bei der Lebenshilfe im Heim Wals, danach Gastlektor an der University of Kingston upon Hull, England. Ab 1987 in der Sozial- und Kulturforschung am Institut für Alltagskultur tätig. 1991 - 1993 Leiter des neu gegründeten Literaturhauses Salzburg. Seit 1994 arbeitet Friedl als freiberuflicher Filmemacher, Schriftsteller, Musiker. Lektor an mehreren US-Universitäten ab 2000.
Er ist Autor, Regisseur und Produzent von Dokumentarfilmen für Kino und Fernsehen, Autor einiger Bücher sowie zahlreicher Erzählungen, die in literarischen Anthologien und auf Radio Ö1 veröffentlicht werden.
Harald Friedl lebt in Wien und Mitterretzbach.
haraldfriedl.com
Kinofilme (Auswahl):
"STEYR" (2023), "BROT" (2020), "What Happiness Is" (2012), "So schaut's aus. G'schichten vom Willi Resetarits" (2008), "Aus der Zeit" (2006), "Africa Representa" (2003). TV-Dokus und Kurzfilme.
ZDENKA BECKER
Zdenka Becker wurde in Eger (Tschechien) geboren, ist in der Slowakei aufgewachsen und studierte Wirtschaft und Dolmetsch in Bratislava und Wien. Sie lebt als freie Autorin in St. Pölten und schreibt u. a. Romane ("Es ist schon fast halb zwölf", Amalthea 2022), Theaterstücke ("Odysseus kam nicht zurück", "Wir leben") sowie die Europakolumne in der Zeitschrift "morgen". Zuletzt erschien 2024 in der Literaturedition Niederösterreich der Essayband "An einem anderen Ort" (mit Fotos von Nikolaus Korab).
Für ihr Schreiben erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, u. a. 2014 den Würdigungspreis des Landes Niederösterreich. 2020 übergab Zdenka Becker ihren Vorlass der Dokumentationsstelle für Literatur in Niederösterreich; der Bestand wird nun im Archiv der Zeitgenossen in Krems aufgearbeitet und bewahrt.
zdenkabecker.at