LITERATUR & WEIN - SCHREIBEN & TRINKEN

FOR DUM
DUM - Das Ultimative Magazin, das 1998 das Kulturenfestival Literatur & Wein mitbegründet hat, hat an die zwanzig Autorinnen und Autoren, die sowohl bei Literatur & Wein schon gelesen haben, als auch in DUM veröffentlicht waren, kontaktiert und nach dem (möglichen) Zusammenhang von Literatur & Wein, von Schreiben & Trinken gefragt. Neun Beiträge haben uns erreicht, wofür wir den Autoren sehr herzlich danken!


Clemens Berger
Man muss nicht nur den Wein lesen, ihn sorgfältig beobachten, die Trauben, die Blätter, den Boden, das Klima, das Wetter. Man liest auch zu Wein, und vor allem: mit Wein. Man liest anders mit Wein. Vielleicht nicht unbedingt das Buch, das man ab einem gewissen inneren Weingehalt doch beiseite legt, vielleicht auch nicht mehr die Zeitung, die auf der Theke liegen bleibt und sich als unhaltbar erweist. Man liest das Rundum, die Atmosphäre, die Menschen, die Beziehungen, die Gesten und Blicke. Man liest sie anders.

(aus: WEIN.WANDERN., Edition Aramo 2013)



Egyd Gstättner
Egyd der Jüngere hat recht viel geschrieben und recht viel Rotwein getrunken. Das hat recht gut funktioniert.
Egyd der Ältere schreibt recht viel und trinkt recht viel Tee mit Milch. Das funktioniert ebenfalls recht gut.
Daraus schließe ich, daß Wein so etwas Ähnliches sein muß wie Tee mit Milch.
Neuerdings stelle ich fest, daß ich - was ich früher nie getan hätte - wenn ich weder schreibe, noch Tee mit Milch trinke, sondern Fisch esse, dazu Weißwein trinke, was ich mir nur so erklären kann, daß aus mir allmählich Egyd der Alte wird.



Finn-Ole Heinrich
wein und literatur, saufen und schreiben - geht für mich gar nicht zusammen. eigentlich nur in der form: die geöffnete flasche, der atmende tropfen als (ferne) aussicht und belohnung für getane schreibarbeit. als antrieb. ich bin der esel, das schreiben ist der trab, der wein ist die möhre, die an der angel vor meinen augen baumelt und mich weiterlaufen lässt... besoffen zu schreiben oder wenigstens saufend zu schreiben, hat mich noch nie weit gebracht. kann mich dann nicht konzentrieren und schätze alles falsch ein. spätestens am nächsten morgen muss ich, die flasche zum altglas tragend, auch alle zeilen mitnehmen und etwas verschämt in einem großen stinkenden container entsorgen ...
sorry. aber das ist die wahrheit -



Gerhard Jaschke
Nüchtern betrachtet: Schreiben und Alkoholkonsum vertragen sich nicht so gut, sag ich heut als schrecklich Verkühlter, die Nase rinnt wie ein Wasserhahn. An das Trinken von Wein ist zurzeit nicht zu denken, doch erinnere ich mich noch vor kurzem mit meinem Freund und Kollegen Stephan Eibel Erzberg beim Czaak zwei Gläser Welschriesling sehr genossen zu haben. Schreibe zurzeit wie ein Teufel im Paarlauf Prosa / Gedichte ohne auf Wein angewiesen zu sein, doch freue ich mich schon sehr auf einen kleinen Ausflug zum Unterretzbacher Sonnenheurigen vom Schleinzer gleich hinter dem Haus in der Weinberggasse... Trockenste Weißweine sind meine, in die könnt ich mich eingraben und die beflügelten auch schon das eine oder andere Notat. Ob dieses freilich dann am nächsten Tag hält, was es versprach, wer weiß! Aber kommt es darauf wirklich an? Das Kritzeln selbst hat größte Freude bereitet.



Radek Knapp
was soll ich schreiben?
ich meine genau?
soll ich schreiben, dass ich das dum genauso liebe wie den wein und das essen.
und zwar in dieser reihenfolge, wobei es manchmal doch gewisse abweichungen gibt.
ich schreibs, es ist die wahrheit



Hans Kumpfmüller
an bukowsky hoz gscheid gschmeggd
an hewingway iss a gons sche owegfoin
da fontane hod a a weng nos gfuadad
bein roth sepp is da schdobbeziaga
sicha oiwei am schreibdisch gleng
i dring zwoa nix
ho owa heid a scho
des zweidd glasl
draumsofd ausgschidd
wiad scho
wiad scho



Urs Mannhart
Gewiss, zuviel ist unbekömmlich, aber es darf als unbestritten gelten, dass sich ein Essen, sei es auch eine banale Verpflegung zu mittäglicher Stunde, allein schon durch die Gegenwart eines feierlich geformten, langstieligen Weinglases in eine gourmandelle Genüsslichkeit verwandelt, und wenn das Glas dann gut gefüllt ist mit einem edlen, ungefilterten, der Möglichkeit nach ganz in der Nähe hergestellten Schluck Apfelsaft, kann sich der Literat auch an der Aussicht erfreuen, auch nach dem Essen über einen hellen, sprachgeistgegenwärtigen Kopf zu verfügen.



Gerhard Ruiss
3 Grüße zum 15.

den nächsten tag

gehoben getrunken
geblieben gewunken
getroffen gefunden
geschrieben verschwunden
setz an und zu ab.


keine weite kriegen

trügs üben übs trügen
flugs fliegs flugs fliegen
trübs drüben trübs drüben
halbe höhen weiten tiefen
auf allen streckenabschnitten.


schilcherlandanfang

in graz-straßgang
graz webling
graz wetzelsdorf
graz köflacher bahnhof
graz hauptbahnhof an
kommt man gut voran

in jeder richtung mit jedem romananfang
gut kommt man voran
an von groß sankt florian
kommt man gut voran
von überall hin an und dann
man kommt gut voran

aus jeder richung an
frauental-bad gams
gut kommt man voran
von wettmannstätten
in jede richtung an
man kommt gut voran.



Christoph Simon
Schreiben und Trinken? Da wir eh schon dabei sind: Geben wir uns zwanzig Minuten und einen halben Liter Kalifornier obendrauf für eine Liste erster Gedanken.
(Die Kalifornier nennen's Cabernet Sauvignon, aber es ist immer eine Mélange aus Cabernet, Merlot und Pinot Noir.)
Los geht's.

Mit Alkohol kann auch ein schreibender Mensch halbwegs zufrieden mit sich selbst sein - ohne je einen Preis zu gewinnen oder seine Ansichten im Fernsehen zu veröffentlichen.
Angetrunken kaufen wir uns nie Kondome, die dann zu eng sind.
Der einzige Weg, Wein zu verschwenden: Ihn zu lagern.
Wie oft haben wir dem Alkoholzufluss zuliebe Interesse für Biervariationen geheuchelt.
Wir loben Botellons (young people get together on public places to get drunk) als lustvollen politischen Akt.
Abgesehen davon, dass uns das Ausspucken beim Verkosten fremd und zuwider ist: was empfinden wir für Weinkenner? Einerseits glauben sie, Wissen anhäufen zu müssen, zur Dämpfung des schlechten Gewissens. Andererseits lesen sie das Etikett, was sie zu Lesern und also potenziellen Kunden macht.
Wenn Gombrowitz behauptet: "Ein Wald von Stammbäumen, und wir in ihrem Schatten", dann mögen wir ergänzen: Ein Liquor Store voll Flaschen, und jede eine Brücke zu Wahlverwandtschaften.
Zwischen zwei und drei Glas löst Wein eine Leidenschaft für die weitliegendsten und gleichgültigsten Dinge aus, zum Beispiel für das Seelendrama des Herrn Briest aus Anlass des Seitensprungs seiner Frau Effi. Nach drei Glas wendet man sich wieder lebhafteren Dingen zu. Enger Spielraum für Klassiker.
Zu den Stichworten "Literaturfestival" und "Marille" gäbe es reihenweise Vorfälle zu berichten, die so krass waren, dass wir sie in dem Moment, in dem sie passierten, nicht für real hielten.
Nach Leseveranstaltungen in Österreich, insbesondere in Kärnten, in Niederösterreich, in Wien und in Tirol, reduziert sich der folgende Tag auf einen blossen Überlebenskampf.
Wir geben es zu: Die Tagesration schon vor der Lesung vertrunken - und wir werden ein unangenehmer Gast: Statt die Lesung aus sicherer Entfernung auf sich zukommen zu lassen, verlieren wir die Texte, plündern den Kühlschrank im Backstage, verstopfen das Toilettenrohr, verbrauchen das ganze Wasserglaswasser, räumen die Möbel im Saal um. Wir legen uns mit dem Roman vors Lesepult und zählen die Seiten bis zum Ende. Blättern vor. Lesen den Schluss zuerst.
Zwischen vier und sechs Gläsern können wir unser Gesicht in zehn Jahren erahnen, wenn wir in den Spiegel sehen. Und es schreckt uns nicht. Wir finden graue Haare and den Schläfen und suchen nach einer harmlosen Erklärung.
Sind's Dichter denn, die, vom Nebelstrom umflossen, gemächlich tappen durch das Grau?
Lasst uns einen Hasen überfahren, ihn verkaufen und mit dem Geld zwei Rosen erstehen!
Lasst uns hellroten Plüschteppichboden im Kinderzimmer verlegen, damit die Kinder für immer optimistisch bleiben!
Lasst uns die Meisen beobachten, die sich am Vogelhäuschen drängen!
Lasst uns in schöner Mondnacht im Garten singen, zu unserer Zufriedenheit und auch derjenigen der Nachbarn, die ihre Fensterläden öffnen, um besser lauschen zu können!
Lasst uns eines Duftes gedenken, in Wehmut: Des Duftes des überfahrenen Hasen. Des Duftes des Kremser Bahnhofwartsaals.
Mögen wir uns von Beeren ernähren, die auf den Hügeln der Umgebung gären.

Abgesehen von den Kanten, an denen wir uns den Kopf und die Knie aufschlagen - die Welt im Trunk ist gut und warm.



Christopher Staininger
Ich bin ein Sympathisant
der Süchtigen
Egal wonach sie süchtig sind
Ob nach Wein, nach Literatur,
nach Arbeit, nach Musik
oder nach dir
Ich bin ein Sympathisant
der Sucht
Egal welche es ist
Ob die Eifersucht, die Nikotinsucht,
die Spielsucht, die Tablettensucht
oder die Sehnsucht nach dir
Berausche mich
Egal womit