DUM NR. 85

THEMA: NACHBAR - Hilfe & Klage
Mit: Thomas Mulitzer - Interview * Sayeb Habib Khawadi * Ursula Kiesling * Harald Vogl * Werner Stangl * Martin Peichl * Franz Friedrich Kovacs * Barbara Rieger * Marlene Schulz * Luis Stabauer * Andreas Plammer * Johanna Wurzinger * Brigitte Thurner * Markus Grundtner * Lea Jehle * Bas Lindgaard * Andrea Travnik * Annemarie Regensburger * Stephan Groetzner * Elisabeth Dimminger * Harald Jölllinger * flimmern.fischen

Rezensionen: Florjan Lipuš - Seelenruhig * Antonio Fian - Mach es wie die Eieruhr

Zeichnungen: Eckholz * Oleg Estis

Preis: EUR 3,30.- (EUR 5.- außerhalb Österreichs)
Förder-Abo (4 Ausgaben): EUR 13.- (EUR 20.- außerhalb Österreichs)
Bestellung: Online, per E-Mail (dummail@gmx.at) oder unter 0664 / 4327973.


DUM-Interview: "FROST IST NICHTS ALS DER TAU VON MORGEN" mit Thomas Mulitzer



Leseproben aus DUM 85:


NACHBARSCHAFTSREISEN
(Harald Vogl)

vom stressler die milch
beim trattner den speck
      am zierhof die butter

vom ortner den most
beim suttner das brot
      am kashof die eier

und
sonntags
      der kirchgang

jetzt
einmal
      sparmarkt retour



ZU WEIHNACHTEN WÜNSCHE ICH MIR EIN SYNDROM
(Martin Peichl)

WEIHNACHTEN - das ist verkatert den Zug ins Waldviertel verpassen und zwei Stunden am Bahnhof verbringen, gemeinsam mit all den anderen Wartenden, mit all den anderen Verlorengegangenen. Sie schauen aus, als würden sie darauf hoffen, dass ihnen irgendwer sagt, wohin sie gehören. Es ist kurz nach Mittag, die Geschäfte am Hauptbahnhof haben noch offen. Ich überlege mir ein Bier zu kaufen, aber dann fällt mir ein, was du dir von mir zu Weihnachten gewünscht hast. Also beobachte ich weiter die anderen Menschen, die mit Zugtickets und die ohne Zugtickets.

Irgendwo nach Tulln ist ein Baum auf die Schienen gestürzt. Ich muss die S-Bahn nach Absdorf-Hippersdorf nehmen und dann weiter Richtung České Velenice. Ich überlege kurz, dir 3 FUN FACTS über Absdorf-Hippersdorf zu schicken, aber eine schnelle Internetrecherche ergibt, dass es nicht einmal 1 FUN FACT gibt.
...



EDEN LIMITED
Johanna Wurzinger

Als erstes hatte sie nur die Aussicht gesehen: Berge, Wolken, Luft und endlos viel Platz. Er hingegen hatte den Wald gesehen, mit der sonnigen Stelle, die sich für ein, zwei Bienenkörbe wunderbar eignete, wie er meinte. Die Entscheidung fiel schnell: Das Haus selbst war trocken und nicht allzu teuer; den Garten würde man mit etwas Arbeit auch in Schuss bekommen. Den Löwenzahn konnte man ausstechen, wobei wichtig war, dass die Wurzel nicht abriss, sondern im Ganzen entfernt wurde. Die Katzen samt ihrer Hinterlassenschaften wurde man los, indem man sie mit einem gezielten Schuss aus dem Gartenschlauch erwischte; selbiger war auch die Waffe der Wahl im Kampf gegen die Maulwurfsgrillen, wie ihnen ein wohlmeinender Nachbar in schwer verständlichem Dialekt verriet. Die windschiefe und durch und durch morsche Holzhütte rissen sie an einem Nachmittag ab und ersetzten sie durch eine aus Aluminium, leicht, stabil und darüber hinaus sehr preiswert. Anna setzte an die besonnte, dem Weg zugewandte Hausmauer Spalierobst, hauptsächlich Pfirsiche und Marillen.

Im Schrebergarten hatte sie dreimal den Einkochwettbewerb gewonnen, denn ihre Ribiseln konnten sich sehen lassen, prall und rot wie unzählige kleine Wasserbälle. Nur mit den Bäumen war es dort nie etwas geworden, wegen der Wuchshöhenbeschränkung, und mit der Zeit war der Verkehrslärm immer störender geworden, ein Drittel der Vereinsanlage hatte man eingeebnet und darauf Reihenhäuer errichtet. Das Geschrei der Kinder, die dort (vermutlich gemeinsam mit ihren Eltern) eingezogen waren, hatte Anna gestört, und er, Winfried, musste immer öfter an schadstofffreien Kräutertee und ruhige Abendspaziergänge denken. An ein Leben in Freiheit und unverbrauchter, unverfälschter Natur. Malerisch, sagte auch Nadine, als sie das erste Mal hier war. Ein echter Glücksgriff.
...



IRGENDWANN KOMMT JEDER NACH HAUSE
(Andreas Plammer)

Wenn man im Auto von Bekannten in einem Rutsch von Barcelona nach Wien fährt, will man danach nur mehr auf dem kürzesten Weg ins Bett. Auch als Beifahrer, auch wenn zwischendurch immerhin Zeit für zwei Pinkelpausen und ein paar Pappbecher Kaffee war. Das würde jedem so gehen, und der Rudi war da keine Ausnahme. Der Rudi nicht und die Romana auch nicht. Auch wenn die Romana über fünfzehn Jahre jünger war wie der Rudi. Und eh schon längst am Absprung. Nach zweiundzwanzig Stunden auf der Rückbank von dem alten Mercedes vom Manfred hätte die Romana aber vermutlich noch neben ganz anderen Männern auch geschlafen. Mit Vergnügen sogar. Hauptsache ein Bett.

Das Bett war aber halt auch genau das Problem. Beziehungsweise die Tür. Der Rudi ist nämlich bei der eigenen Tür nicht mehr hineingekommen, und das ist nicht nur an einem verbogenen Schlüssel oder einem verzogenen Schloss gelegen. Sondern am Haken, der von innen vorgelegt war. Die Tür hat sich gerade einmal drei Zentimeter weit öffnen lassen.
"Da ist irgendwer in der Wohnung", hat der Rudi festgestellt.

"Dabei hast du mir hoch und heilig geschworen, dass deine ganzen Flitscherln ihren Schlüssel zurückgegeben haben", hat ihn die Romana angegiftet. Weil man sich halt auch nicht alles gefallen lassen muss. Auch wenn man eigentlich doch eh schon am Absprung ist.
"Das wird nur die Elfi sein", ist es dem Rudi endlich eingefallen. Leider wieder einmal viel zu spät.

Da war der letzte Rest an Urlaubsstimmung nämlich längst schon verflogen. Bei der Romana sowieso. Beim Rudi aber auch. Dabei hat doch nur die Elfi in der Wohnung sein können. Und die Elfi hätte ja ohne weiteres in der Wohnung sein dürfen. Auch in den Augen von der Romana. Die Elfi hat nämlich erstens während ihrer Abwesenheit die Katzen vom Rudi gehütet. Und zweitens war die Elfi doch wirklich keine Freundin vom Rudi. Sondern nur von der Romana.
Das Dumme daran war nur, dass die Elfi eben nicht in der Wohnung war.
...



(Angelika Polak-Pollhammer)

links rechts
oben unten
haben alle fenster augen
sehen tag und nacht
gespenster
der briefträger der geliebte
der ehemann nie daheim
ein sauvieh der hund
die kinder taugen nichts
ein saustall ums haus
im frühling noch hängt
der weihnachtsstern an der haustüre
er gibt dem osterhasen lichtzeichen
und alle vergessen beim schauen
auf die eigene

haustür