LICHTUNG IM LEBENSURWALD

Autor*in: THOMAS SAUTNER
REZENSION: Markus Köhle
"Nur zwei alte Männer" ist ein gewagter, aber gut gewählter Buchtitel. Es geht natürlich um weit mehr als nur um zwei alte Männer. Aber erst einmal lernen wir diese zwei alten Männer kennen. Der Erzähler ist abwechselnd mal der einen, mal der anderen Figur nahe und stellt uns einerseits Joseph Wasserstein vor, einen ehemaligen Starfotografen und nunmehr 83jährigen Griesgram, andererseits Hakim Elvedin, Tänzer mit Herz und Seele, auch schon 76 Jahre alt, aber immer noch leichtfüßig tänzelnd mit Körper und Geist. Die zwei sind seit 40 Jahren Nachbarn und ein eingespieltes Team. Ein altes Ehepaar könnte man auch sagen. Sie haben Rituale ("Klack-klack. Klack." haben die Bierflaschenhälse beim Anstoßen zu machen), sie haben Rollen in ihrer gut funktionierenden Beziehung: Joseph ist der Misanthrop, Hakim das genaue Gegenteil davon. Hakim ist das gegenwärtig sprühende Leben, Joseph lebt nur mehr in der Erinnerung.

Das ungleiche Paar wohnt in der Nähe der Kuffner-Sternwarte in Ottakring. Schauplatz des Geschehens ist fast ausschließlich der Tisch auf der Terrasse von Josephs Villa. Ja, Villa. Joseph hat ein Anwesen und war eine große Nummer. Hakim hat ein kleines, liebevoll eingerichtetes Häuschen und tanzt noch immer. Der Roman ist also eine Art Kammerspiel, aber eben ein Garten-, ein Terrassentischspiel und in den männlichen Hauptrollen eben Joseph, der Grantscherm und Hakim, der Derwisch in allen Belangen, auch im Sprachlichen. Denn Hakim liebt es, der so behäbigen deutschen Sprache gelegentlich einen leichten Spin zu geben. Da kommen dann Worte wie: "Wunderbarherrlichkeit" oder, wenn er flucht, "Kreuzkümmelnocheinmal" daher. Joseph ist einsilbiger und träumt in "grobkörnigem Schwarz-Weiß". "Trost und Gnade" sind mittlerweile seine Lieblingsworte, seine Freunde teilt er in zwei Gruppen: tot und Hakim. Joseph ist ein reflektierter Jammerlappen, der für einen Suizid zu bequem, schambehaftet, inkonsequent, aber auch zu rücksichtsvoll ist. Hakim ist ein hingebungsvoller Freund mit drei Katzen, die nicht miauen, aber sonst alles geben, was Katzen können.

Klingelton: Planet der Affen

Der Lebensquell von Joseph versiegt, der von Hakim sprudelt nach wie vor. Joseph Wasserstein im Brackwasser seiner Erinnerungen watend. Hakim Elvedin seinen Waldorf permanent anstachelnd. Joseph hat die Melodie von "Planet der Affen" als Klingelton, ist aber zu faul um noch ans Telefon zu gehen. Das erledigt Hakim und so kommt die weibliche Hauptfigur ins Spiel. Julia Stern hat von ihrer Mutter erfahren, dass Joseph ihr leiblicher Vater ist. Julia ist 52, alleinstehend, Mutter einer Tochter, die Soziologie an der Uni unterrichtet. Julia schleust sich unter dem Vorwand, einen Fotoband über Joseph Wasserstein machen zu wollen, in das Nachbargefüge ein und schon wird aus dem Gartenspiel eine Komödie mit Tollpatschigkeiten da und dort. Weder am Telefon noch rund um einen Tisch ist es leicht, das zu sagen, was man sich vorgenommen hat. Aber Julia bringt Leben in den Alltag der zwei alten Männer. Joseph putzt sicher heraus und fühlt sich vom Interesse an seiner Person geschmeichelt und plötzlich geht es um die großen Fragen des Lebens.

Das kommt alles wunderbar leicht daher, verhandelt aber Themen, die uns alle beschäftigen, ohne dabei bedeutungsschwer oder altklug zu sein. Der Erzähler findet Bilder, die überraschen und unterhalten und lässt allen Figuren ihre großen Momente. Das ist in Summe so vergnüglich wie ein Sommerabend in guter Gesellschaft mit reichlich Erfrischungsgetränken. Was im zweiten Teil des Buches dann noch aufgefahren wird, soll hier gar nicht verraten werden, es ist jedenfalls wieder etwas Unvorhersehbares, dem es letztlich gelingt, den Wert des Lebens zu veranschaulichen und das ist eine große Leistung.

THOMAS SAUTNER. NUR ZWEI ALTE MÄNNER. PICUS. 2023. ISBN 978-3-7117-2132-7