WIEN METROPOLIS

AUTOR: PETER ROSEI
REZENSION: WOLFGANG KÜHN
Wer gerne Romane liest mit vollständiger Gliederung und Handlung, wird mit Peter Roseis letztem Roman nicht glücklich sein. Wer hingegen auf Abenteuersuche ist, neue Formen entdecken möchte und für Überraschungen offen ist, dem sei "Wien Metropolis" wärmstens empfohlen.

Peter Roseis 250-Seiten Roman umspannt fünf Jahrzehnte, ohne, wenn ich mich recht erinnere, auch nur eine Jahreszahl oder eine Altersangabe bei den handelnden Personen zu gebrauchen. Die Handlung fließt auch so dahin, zieht uns auch so in ihren Sog. Der Verzicht auf Zeitangaben macht den Roman letztlich zeitlos.

Zerbrochene Träume

Im 1. Teil lernen wir in drei Kapiteln die meisten der späteren Protagonisten und Protagonistinnen kennen, die Herren Kriegsheimkehrer Oberkofler und Pandura, den Juden Leitomeritzky, die Jugendfreunde Alfred und Georg, Viktoria Strnad und Maria Jakublec, die, wie wir in weiterer Folge erfahren, allesamt in gewissem Zusammenhang zueinander stehen.

Viel erfahren wir das Emporkommen nach dem Krieg, viel auch über das Scheitern, das Zerbrechen von Träumen, sei es Leitomeritzky, sei es Georg, sei es Alfred. Die Geschichte der Jugendfreundschaft zwischen Alfred und Georg ist einer der Haupterzählstränge des Romans, die Vergänglichkeit einer Blutsbrüderschaft, die Vergänglichkeit einer Freundschaft.

Spannung auch ohne großes Finale

Nicht selten begegnen wir in "Wien Metropolis" auch dem Tod, der so beschrieben wird, wie er sich gibt, plötzlich und unberechenbar. In einem Nebensatz, scheinbar unbedeutend, endet der Kopf einer Figur im Gasherd, der Körper einer anderen unter einem Wagen. Nichts als Nebensätze sind wir, sind unsere Existenzen.

Das Wunderbare an Peter Roseis Skizzenroman ist, dass er völlig ohne Höhepunkt, ohne großes Finale, in dem alles aufgeklärt wird, auskommt. Zwar wird Spannung aufgebaut, das Netz zieht sich immer weiter zusammen, die Personen treten zueinander in Beziehung, doch so plötzlich wie Personen auftreten, verschwinden sie auch wieder, sei es durch Tod, sei es durch ein Verlorengehen im Roman.

Fazit: Zeit nehmen und mit Peter Rosei auf Reise gehen! Sie werden es nicht bereuen!

PETER ROSEI, WIEN METROPOLIS, Klett-Cotta, Stuttgart 2005, ISBN 3-608-93560-6