Der Buchtitel spielt gleichermaßen auf den siebenten Gemeindebezirk wie auf den siebenten Himmel an. (Mancher könnte es auch so verstehen, dass es sich in Neubau wie im Himmel lebt und liebt.) In diesem Teil Wiens spielt Andreas Unterwegers Liebesgeschichte, die vom Autor bzw. seinem Alter Ego und dessen Liebe zur geschiedenen Judith aus Niederösterreich handelt. Konsequenterweise wird am Anfang schon gewarnt, dass nicht immer alles so schön war, wie zu Beginn, als man noch nächtelang ineinander schmelzen wollte und morgens den mit Sand gefüllten Blumenkasten als Souvenir aus den nächtlichen Träumen vom Meer (Achtung: Sea of Love) vorfand. Der erste Satz im Roman betont die Notwendigkeit (den Zwang?) der Dokumentation dieser Liebesgeschichte: In jenen schwierigen Zeiten war es einfach lebensnotwendig, gewisse Dinge nie, niemals, zu vergessen, und um sie nicht zu vergessen, schrieben wir sie auf.
Man kann Tragik auf den kommenden Seiten vermuten, erwarten sollte man sie aber nicht. Bereits auf Seite 14 gibt der Autor weitere Erklärungen: In dem Zimmer im Siebenten wollte ich mein erstes Buch schreiben. Es sollte ein ganz einfaches Buch werden, das von ganz einfachen Dingen handelte, und am Anfang dachte ich noch, dieses Buch würde dort, in dem Zimmer im Siebenten, auch ganz einfach zu schreiben sein. Muscheln zwischen Blumen vor einem Zimmerfenster, das im siebenten Wiener Gemeindebezirk in einen Innenhof zeigt. Das ist nett. Und das ist eigentlich auch, was man vom 70er Jahre Design auf dem Buchcover, dem harmlos statt psychodelisch anmutenden Kreismuster erwarten kann.
Ich-Erzähler als Indianerhäuptling
Der erste Abschnitt des Buches ist leider an manchen Stellen aufgrund der Wiederholungen und des sehr eigenwilligen Erzähltons etwas langatmig - der ständige Wechsel zwischen auktorialem Erzähler und Ich-Erzähler wirkt unentschlossen. Man fragt sich, was die plötzliche Wandlung des Ich-Erzählers zum Indianerhäuptling soll. Ständig nennt er sich selbst beim Namen, also "ich, Andreas, ..." - das klingt nicht innovativ sondern prätentiös. Witzig und intelligent werden diese Passagen allerdings durch eingestreute Zitate aufgefrischt. Anfangs werden Autoren wie Čechov (der Kanon lässt grüßen) zitiert, später auch Musiker bzw. deren Liedtexte. Unterweger stellt auch einen kurzen Vergleich zwischen Autor und Detektiv an.
Gegen Ende des Romans werden die Querverweise auch auf eine optische Ebene gehoben, indem der Text durch zwei ansprechende und passende Schwarz-Weiß-Fotografien unterstützt wird. Dies wirkt allerdings nicht detektivisch, sondern im Stile der neuen Popliteratur archivarisch, da die Bilder mit Fußnoten versehen sind, die Lexikoneinträgen gleichen. Die letzten Kapitel des Romans sind den Liebesbeziehungen von Bob Dylan und John Lennon gewidmet. Man muss wohl ein eingeschweißter Fan zumindest von einem der beiden sein - nicht etwa, weil man etwas Neues über sie erfahren würde, sondern, um ihre Begegnungen mit ihren Frauen noch einmal erzählt bekommen zu wollen. Es schleicht sich beim Lesen dieser letzten Seiten der Gedanke ein, dass Unterweger sich bzw. seine Beziehung mit der von Dylan und Lennon vergleicht. Überzogen? Oder konsequentes und ehrliches Darlegen von Recherchematerial? Es werden keine direkten Vergleiche angestellt, sondern - wie auf den Seiten davor die Beziehung zwischen Andreas und Judith - nun zwei andere Beziehungen aufgezeichnet.
Gefahr zu ersaufen groß
Liebe kann verunsichern. Sie kann auch zu Orientierungslosigkeit führen. Besonders, wenn man grundsätzlich selbst noch auf der Suche ist, kann Liebe zu Verwirrung führen, das Liebesmeer Wellen hervorbringen, die einen schon mal überrollen. Wenn man sich in einer Beziehung selbst finden will oder muss, dann ist die Gefahr zu ersaufen sehr groß. Wichtig ist also immer wieder durchzuatmen und sich weiterumzusehen. Man sollte nicht gleichgültig oder zynisch werden, scheint uns der Autor sagen zu wollen. Vielleicht muss man sich auch einmal mehr mit Fragen des Erwachsenwerdens und des Verantwortung-Übernehmens neben dem ausgiebigen Genießen konfrontieren. Auch die Erkenntnis, dass man noch immer keine Antwort hat, ist eine Erkenntnis: Denn das war das Problem bei dem Spiel namens Leben: so simpel es auch schien - man konnte sich nie, niemals, sicher sein, ob man nicht alles völlig falsch verstanden hatte. So waren sich zwar alle darin einig, dass es von ganz entscheidender Bedeutung sei, ob man nun viele oder wenige Karten hatte. Doch dummerweise war noch nicht geklärt, was besser war: viel haben - oder wenig.
Andreas Unterweger nimmt den Leser sehr behutsam an der Hand und nimmt ihn mit in seine Welt. Manche Erklärung mag wie eine Rechtfertigung für das Schreiben dieser Geschichte klingen. Die ehrlichste unter ihnen erschien mir folgendes Hemingway-Zitat: Alles, was du tun musst, ist, einen wahren Satz schreiben. Schreib den wahrsten Satz, den du weißt. So schrieb ich schließlich einen wahren Satz hin, und von da an machte ich weiter. Durch den sehr ehrlichen Umgang mit den eigenen, kleinen Unsicherheiten (sowohl inhaltlich, als auch stilistisch) und die insgesamt runde Darstellung des männlichen Protagonisten wirkt dieser Debütroman letztlich nie selbstverliebt, sondern immer charmant. Orientierung und Selbstfindung sind die Hauptthemen des Autors und der zwei Personen in der Beziehung.
Fazit: Nette und unaufgeregte, aber dabei eben auch wenig aufregende Samstagnachmittagslektüre für ein Cafe in der Siebensterngasse.
ANDREAS UNTERWEGER, WIE IM SIEBENTEN, Droschl Verlag, 2009. ISBN 978-3-85420-757-3