DIE WEITEREN AUSSICHTEN

AUTOR: ROBERT SEETHALER
REZENSION: WOLFGANG KÜHN
Robert Seethaler, die Zweite! Schnitt. Nach dem berührend-faszinierenden Roadmoviedebütroman "Die Biene und der Kurt" legt der 40-Jährige Niederösterreicher noch ein Schäuferl nach. Ein typisch-österreichisches Schicksal, das nicht nur den Hauptfiguren in seinen Büchern widerfährt, nein, auch Robert Seethaler selbst wird zum Opfer. Zwei Romane in einem bekannten Schweizer Verlag (Kein & Aber) veröffentlicht, in Deutschland einige sehr renommierte Preise (Tankred Dorst-Preis / Preis der Thomas Mann Stiftung Lübeck / Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste in Berlin) eingeheimst, aber in Österreich kennt ihn als Autor bis dato fast (noch) niemand, in den Programmen der Literaturtempel des Landes sucht man ihn fast vergebens - zu Unrecht!

"Die weiteren Aussichten" ist wie schon sein Vorgänger ein höchst vergnüglicher Roman, geschrieben in der schon typischen Seethalerschen Sprache, die das Gelesene wie einen Film ablaufen läßt, so plastisch, so minutiös wird alles beschrieben. Die Handlung des neuen Romans ist wiederum skurril und doch auch wieder nicht. Viele Passagen aus dem Leben von Herbert und Hilde könnten genauso irgendwann irgendwo passiert sein, es ist bloß die Aneinanderkettung der "schrägen" Momente, welche die Realität zur Fiktion erhebt.

Verliebt in die Putzfrau

Herbert, ein junger Mann von siebenundzwanzig Jahren, ungewöhnlich großer Statur und bei seiner ihn umhegenden Mutter wohnend, verliebt sich eines zufälligen Tages in die zufällig vorüberradelnde, etwas zu klein und zu dicklich geratene Hilde, ihres Zeichens Putzfrau im örtlichen Schwimmbad. Eine abenteuerliche (Liebes-)Geschichte beginnt … noch nie wurde ein Dorffest oder - wie bei Seethaler - ein "Schlachtsaufest" treffender beschrieben …

Wenn sich einem so eine Peter-Kraus-Interpretation erst einmal in die Knochen hineingeschmachtet hat, gibt es kein Halten mehr. Da ist es vorbei mit der breitarschigen Gemütlichkeit. Da brodelt die Bauchchemie. Da zuckt einem die rhythmische Lebenslust förmlich alle Gedanken und Glieder durcheinander. Und bei der Kombination Sugar Baby, Lustige Heububen, Promille und Sommerhitze muss eines einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden: Wer jetzt nicht tanzt, ist kein ganzer Mensch!

Seethaler beschreibt mit Vorliebe Außenseiter der Gesellschaft, die irgendwo am Rande der Zivilisation (in ausrangierten Wohnmobilen / auf trostlosen Tankstellen am Rande der Stadt) ein tristes Dasein fristen, es sind traurige Schicksale, die der Autor beschreibt, doch so voller Witz ist die Sprache, sind die Bilder, dass sie der / die Lesende schmunzelnd bis hellauf lospustend genießen kann, auch wenn manchmal Tränen angebrachter wären. Aber keine Angst, es ist ja nur eine Geschichte, oder? Die weiteren Aussichten, so wünscht man dem Autor, mögen sein, dass man seine Literatur auch hierzulande bald gebührend(er) schätzt.

ROBERT SEETHALER, DIE WEITEREN AUSSICHTEN, Kein & Aber, Zürich 2008, ISBN 978-3-0369-5525-4