DIE WEITE FÜHLEN

AUTORIN: PIA SOLÈR
Rezension von Kathrin Kuna
Der Lieblingsautor der Schriftstellerin ist Leo Tuor und war einmal Schafhirte. Pia Solèr ist Schafhirtin im schweizerischen Graubünden und macht, wovon insgeheim viele träumen: Sie lebt fernab der sogenannten Zivilisation ohne Smartphone und Büroalltag auf einer Alp. Das Buch mit dem Titel "Die Weite fühlen" wird im Untertitel als Aufzeichnungen einer Hirtin bezeichnet. Würde man diesen Zusatz weglassen, wäre es keine Hirtin, die schreibt, sondern eine Schriftstellerin, die auch auf ein paar Tiere aufpasst und in den Bergen lebt. Aber so funktioniert unser Kunstbetrieb - und v. a. unsere Gesellschaft.

Was Solèr beschreibt passiert abseits einer sozialromantischen Kulisse und auch jenseits des Traums vom Leben als Einsiedlerin. Obgleich ihr Vater für sie ein ganz anderes Leben mit Studium usw. vorgesehen hatte, entschied sich Pia Solèr für das Leben als Hirtin. Wie sie am Ende dennoch sogar in einem Spielfilm mitspielte und wie es zu diesen Aufzeichnungen kam, kann man auch lesen zwischen diesen vielen dichten Prosa-Splittern, die uns ebenfalls eine Weite spüren lassen. Wenigsten auf Papier haben vielleicht manche keine Angst davor. Die Weite liegt zwischen dem auf den ersten Blick Beschaulichen: "Als ich die Ziegen hütete, lief ich oft auf der Seite des Hanges entlang, wo ein Wanderweg auf die Greinaebene führt. Die Ziegen erkennen genau, ob ich dort gehe oder ein Wanderer, das erstaunt mich immer wieder. Kamen wir am Abend vom Berg herab, liefen die Ziegen viel schneller als ich, aber bevor sie über die kleine Brücke zum Stall liefen, warteten sie auf mich."

PIA SOLÈR. DIE WEITE FÜHLEN. Diana Verlag. 2011 / Weissbooks. 2013. ISBN 9783863370350