VERSCHWINDEN IN LAWINEN

Autor*in: ROBERT PROSSER
REZENSION: Wolfgang Kühn
Nach dem Kaukasus ("Geister und Tattoos"), dem Balkan ("Phantome") und Wien ("Gemma Habibi") hat sich Robert Prosser nun in seinem vierten Roman erstmals seiner Tiroler Heimat gewidmet. "Verschwinden in Lawinen" heißt der hochgelobte, neue Roman, der bei Jung und Jung erschienen ist.

Protagonist des Romans ist der junge Schauspieler Xaver, dessen Nichte Tina und deren Freund Noah Opfer eines Lawinenunglücks geworden sind. Während Tina schwerverletzt auf der Intensivstation liegt, fehlt von Noah jede Spur. Für Xaver ein schlimmes Déjà vu, musste er doch als Jugendlicher miterleben, wie sein Großvater in den Bergen verschwunden ist und erst durch Zufall später tot geborgen werden konnte. Seit damals wird Xaver von Schuldgefühlen geplagt, den Großvater nicht gefunden und vielleicht gerettet zu haben. Der Heiler Mathoi, der als Einsiedler in den Bergen fernab jeglicher Zivilisation lebt, hatte Xaver und seiner Mutter Anna den ungefähren Unglücksort angedeutet, doch Xaver musste aufgrund des unwegsamen Geländes kehrt machen, kurz bevor er an die Stelle gelangt wäre, an der sein Großvater schließlich gefunden wurde.

Auf eigene Faust

Die Suche nach dem vermissten Noah wird zu einem Wettlauf mit der Zeit, Xaver sagt sich von den örtlichen Suchtrupps los und möchte Noah auf eigene Faust finden, um so vielleicht die alte Schuld zu tilgen. Dabei setzt er auf die Hilfe seiner Mutter, die sich nach einer gescheiterten Ehe und einem von Alkohol und Arbeit gezeichneten Berufsleben in die Berge zurückgezogen hat. "Irgendwann gehen dir die Möglichkeiten aus, glücklich zu werden ... und bevor es so weit ist, versuch ich es lieber hier", erklärt sie ihrem Sohn ihr Eremitendasein. Gemeinsam machen sich die beiden auf den Weg zum Heiler Mathoi, mit dem Anna regelmäßigen Kontakt pflegt, in der Hoffnung vielleicht etwas über den Verbleib von Noah zu erfahren.

Der spannende Wechsel der Erzählstränge zwischen dem Verschwinden des Großvaters und der verzweifelten Suche nach Noah entwickelt einen mitreißenden Sog. Geschickt lässt der Autor Xavers Familiengeschichte, vor allem die nicht unproblematische Beziehung zu seiner Mutter, in den Roman einfließen und spart gleichzeitig auch die Schattenseiten des (Tiroler) Tourismus nicht aus.

Fazit: Ein großer (Heimat-)Roman, der sich zügig und spannend liest!

PS: Ein absolutes Erlebnis ist es, den Autor live zu erleben. Gelegenheit dazu bietet die Septemberlese Langenlois am 23. September 2023.

ROBERT PROSSER. VERSCHWINDEN IN LAWINEN. Roman. Jung und Jung. 2023. ISBN 978-3-99027-273-2