ÜBERLEBENSANTRIEB UND EXITUSWILLEN

AUTOR: HANS PLATZGUMER
Rezension von Markus Köhle
Da besteigt einer früh morgens den Bocksberg, um bis abends das dortige Gipfelbuch mit seiner Lebensgeschichte vollzuschreiben. Gerold heißt er, ein legitimierter Hurensohn ist er, in einer Südtirolersiedlung in Vorarlberg groß geworden ist er. Die Mutter leistete Abbitte in der Altenpflege und flüchtete in den Glauben. Gerold verunsicherte mit seiner Bande die Gegend, stählte Geist und Körper beim Karatetraining, wurde früh mit dem Tod konfrontiert und spürte auch schon früh, dass es ein kleines Leben ist, das er führt und dass es schwer ist, auszubrechen aus dem Vorgegebenen. Trotzdem kann man immer vom rechten Pfad abkommen, auch wenn man es nur gut meint. Aber das Gegenteil von gut ist bekanntlich gut gemeint und so gibt es für Gerold schließlich kein Zurück mehr. Zu viel nicht so einfach zu Erklärendes hat er sich aufgehalst. Er zieht einen Schlussstrich und wird nur noch einen letzten Schritt zu machen haben.

Der Tod ist stets präsent in diesem Roman. Es sind aber vordergründig keine Kriminalfälle, die einem hier aufgetischt werden, sondern Konfrontationen. Gerold nimmt sich Zeit, auszuholen, zu motivieren, wie es dazu kommt, dass er zum Todesengel wird. So wird jede Tat zum Diskussionsfall über Moral und Sterbehilfe, über Verantwortungslosigkeit und Schuld. Große Themen, ein steiler Weg, eine Gratwanderung, am Rand von gut und verwerflich. Was Hans Platzgumer in seinem sechsten Roman macht, ist gewieft und mutig. Er macht es sich nicht einfach, zeigt keine Scheu vor möglichen Angriffen und vergisst bei aller Ernsthaftigkeit nicht darauf, auch für Amüsement zu sorgen. So webt er beispielsweise einen gewissen Platzgumer Hansi in die Geschichte ein, der immer wieder seine Auftritte hat und als nicht ganz geglückter Lebensentwurf herhalten muss. Auch ist es der Sprachduktus insgesamt, der hilft, dass einem das Ganze nicht zu viel und schwer wird. Der Autor erzeugt nämlich einen sympathischen Sound und entwickelt einen eigenen, lakonischen Humor. Gerold hat es in seinem Leben als Schriftsteller zu nichts gebracht. Seine literarische Beichte im Gipfelbuch allerdings ist ein großer Wurf, für den ein breites Publikum zu gewinnen sein dürfte.

HANS PLATZGUMER. AM RAND. Zsolnay. 2016. ISBN 978-3-552-05769-2