NACH FÜNF JAHREN

AUTOR: HERBERT SCHLÜTER
REZENSION: KATHRIN KUNA
Der Lilienfeld Verlag ist ein besonderer, ein kleiner Verlag, in dem eine ebenso besondere, kleine - im wörtlichen Sinne zu verstehen und auf das Format bezogen - Reihe von Romanen erscheint, die so genannten Lilienfeldiana. Als dritter Band der Reihe erschien der Roman Nach fünf Jahren von Herbert Schlüter, der damals vor der Emigration des Autors im Jahr 1933 nicht mehr erscheinen konnte, als Neuauflage. Ein ebenfalls kleiner Verlag in München, der Willi Weismann Verlag, rettete das Manuskript nach 1945 gewissermaßen vor der Versenkung, sodass uns diese knapp 200 Seiten heute in einer liebevoll gestalteten Ausgabe vorliegen - und eigentlich aktuell wie je wirken.

Die Geschichte von vier unglücklich Verliebten spielt Ende der 20er Jahre in einem Sommer auf einem märkischen Landgut. Liebesverstrickungen, nicht so gefährlich wie in den Liaisons Dangereuses, aber nicht weniger dramatisch als in Sense & Sensibility oder Pride & Predjudice, markieren die Haupthandlung. Vielleicht ertappt man sich bei der Frage, ob der psychologisierende, zuweilen verallgemeinernde Erzählton wirklich vonnöten ist. Die eindringlichen, psychologischen Analysen sind nicht langatmig, mögen dem Leser gegenwärtiger Romane aber zu abgehoben erscheinen.

Denn ihre Liebe war von jener Ausschließlichkeit gewesen, in der das geliebte Wesen die ganze Welt vertritt, nicht nur redensartlich, sonder wirklich, was sich freilich erst im negativen Fall erweist. Nämlich, wenn das geliebte Wesen den Liebenden verstößt, ist es ihm, als hätte die Welt ihn verstoßen, und er kommt sich vor, als sei sein Anspruch zu leben für immer verwirkt.

Ebenso wären die hier zugeteilten Frauen- und Männerrollen in einem gegenwärtigen Roman in dieser Form nicht mehr denkbar; wenngleich das nicht heißt, dass sie in unserer Gesellschaft nicht nach wie vor existieren. Die anbetungswürdige Frau, der unerreichbare, einzelgängerische Mann - vielleicht werden sie neuerdings jeweils getrennt in separaten Romanen abgehandelt. Die Fragen nach dem Geheimnisvollen der Liebe und vor allem des Liebenden, nach dem Geheimnis der Liebe, sind Fragen, die immer noch offen sind, ja sogar offen bleiben sollen und dennoch immer wieder neu gestellt werden. Genau dieser Aspekt des Verhältnisses von Zeit und Gesellschaft zu den beschriebenen Liebesverhältnissen macht die Lektüre von Nach fünf Jahren aber wieder spannend und nicht nur lesens-, sondern beinahe schon studierenswert.

Eine Liebe voller Illusionen

Die hier grundsätzlich vorliegende Konstellation einer problematischen Liebesbeziehung ist ein ewiges Dilemma, ein Kontinuum der Liebesdichterei und damit auch der Liebessoziologie. Robert, Andreas und Victoria lernen einander sehr jung kennen, als Jugendliche. Lebenslange Freundschaften bzw. ein Verwandtschaftsverhältnis verbinden sie miteinander - zudem unterschiedliche Gefühlsverkettungen. Eine Liebe voller Illusionen, Illusionen voller Liebe werden aufgebaut und erkannt, bevor und nachdem sie zerbrechen. Um es mit den Worten der Band Fehlfarben zu umreißen und nochmals auf den aktuellen Bezug dieses Romans hinzuweisen: "Was ich haben will, das krieg ich nicht. Und was ich kriegen kann, gefällt mir nicht."

Ein kleiner Band voll großer Gefühle - sowohl für die Lektüre als auch für das Nachfühlen sollte man Zeit haben.

HERBERT SCHLÜTER, NACH FÜNF JAHREN, Roman, Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-940357-06-9