MORBUSO GEHT AB

AUTOR: CLEMENS ETTENAUER
REZENSION: Wolfgang Kühn
Eine Chatgeschichte, so nennt sich das dünne, hübsch gestaltete Büchlein von Clemens Ettenauer, das im noch jungen PRO VERBIS Verlag erschienen ist, im Untertitel.

Zugegeben, ich war anfangs, sprich bevor ich das Buch "richtig" zur Hand genommen hatte, eher skeptisch eingestellt. Nach Daniel Glattauers beiden Bestsellern "Gut gegen Nordwind" und "Alle sieben Wellen", die als E-Mail-Romane das Publikum im Sturm erobert hatten, waren die Trittbrettfahrer wie Schwammerl aus dem Boden geschossen, die uns plötzlich SMS-Romane, Chatroom-Romane und dergleichen als die Neuerfindung des berühmten Suppentellers verkündeten.

Zwei Monate gut abgelegen hat mich erst ein Kurztrip nach München zu einer geeigneten Zuglektüre greifen lassen, eben zu "Morbuso geht ab". Dem 1986 in St.Pölten geborenen Clemens Ettenauer ist da zum Debüt ein witziges und doch in mehrfacher Hinsicht zum Nachdenken anregendes, knapp achtzig Seiten dickes Büchlein geglückt, dessen Lektüre man nicht bereuen muss.

Erbe schnell durchgebracht

Der Protagonist, Charlie Morbuso, mit Nickname Morbuso, begegnet uns zu Beginn des Buches als unglücklicher Buchhalter und zugleich erfolgloser Dichter, dessen Eltern und Geschwister allesamt bei tragischen Unfällen ums Leben gekommen sind. Das Erbe hatte er schnell durchgebracht, nun träumt er vom freien und unabhängigen Leben als Dichter. Seine vier- bis sechszeiligen Poeme treffen selten den Geschmack seiner zwangsbeglückten ChatpartnerInnen. Nur ein Selbstzahlerverlag zeigt Interesse - ein Affront sondergleichen für Charles Morbuso.

In zahlreichen Chatgesprächen erfahren wir von der gesellschaftlichen Loslösung des Protagonisten, der zunächst seinen Job kündigt und Arbeitslosengeld, sprich "Stütze" bezieht, schließlich auch auf diese verzichtet, sein ganzes Hab und Gut aufgibt und sich dem Leben auf der Straße hingibt. Dank gelegentlicher Besuche in Internet-Cafés dürfen wir an Morbusos Glück teilhaben, der sich endlich freifühlt und endlich von seiner brotlosen Kunst zu leben vermag - als Obdachloser, dessen größter Feind das Wetter ist. Der finale Showdown bleibt unausweichlich, doch alles soll hier noch nicht verraten werden!

Fazit: Eine amüsante und doch tiefgehende Chatgeschichte, die auf mehr Literatur dieses Autors hoffen lässt!

CLEMENS ETTENAUER. MORBUSO GEHT AB. PRO verbis VERLAG. 2010. ISBN 978-3-9502912-0-9