KEIN HALS- UND ROHRBRUCH -
EIN FLOSS IM ALLTAGSFLUSS

AUTOR: VOLKER STRÜBING
REZENSION: Markus Köhle
Volker Strübing ist gerade Stadtschreiber in Bayreuth. Er war 2005 deutschsprachiger Poetry Slam Meister, über ein Jahrzehnt Mitglied der Berliner Lesebühnen LSD und Chaussee der Enthusiasten, er machte 3sat-Dokus und macht noch immer Trickfilme und was er war, macht und ist, ist gut. "Das Mädchen mit dem Rohr im Ohr und der Junge mit dem Löffel im Hals" beinhaltet 24 Geschichten, auf der CD kann man ihn (unvergleichlich gut) zehn davon sowie einen Bonustrack lesen hören und das ist, ob selbst gelesen oder angehört, ein riesen Spaß.

Jede der Geschichten hat zumindest eine tolle Szene, eine tolle Idee oder einen tollen Satz. Die Enden sind oftmals die große Stärke. Der "Herbst"-Schluss beispielsweise ist überraschend und gelungen, wie die ganze Geschichte über die schleichende Machtübernahme der Maschinen. Manchmal hätte man aber gerne noch mehr, enden einen die Geschichten zu abrupt (aber das ist ja besser als umgekehrt). Ich will hier nicht 24 Geschichten nacherzählen, aber schon auch anreißen, um was es alles geht. Also: da will wer nicht über Träume schreiben, hat aber eine Freundin, die niedlich schnarcht und im Halbschlaf absurde Sätze von sich gibt, was natürlich einlädt, doch ins Reich der Träume abzuheben und da auch gleich mehrere Ebenen einzuziehen. Aufgestaute Aggressionen hat dieser Ich-Erzähler auch und oftmals genügt es, dass die Pizza Vegetaria aus ist, um zumindest gedanklich zum Massenmörder zu werden. Die fatalen Auswirkungen von Verwechslungen veranschaulicht "Irgendwas mit Rosen" und wie sich der Held beim Kieser-Training fühlt, verhehlt er auch nicht. Gelegentlich gibt es Bezüge zwischen den Geschichten. Wenn zum Beispiel eine Tierärztin aus ihrem abenteuerreichen Alltag erzählt und das Ich erwähnt, dass es neulich auch etwas erlebt hat, nämlich, dass die Pizza Vegetaria aus war. Diese Kurve wird meist in den Schlusssätzen gekratzt. Oft ist man grad so richtig schön irgendwo drin, schwupps, ist es auch schon wieder aus.


Ein süßes, kleines Arschloch

Dieses Ich ist verletzlich, zerstreut und mit liebevollem Machoanstrich versehen. Ein süßes, kleines Arschloch zum Knuddeln. Wenn kein Ich die Hauptrolle hat, dann ist es der Ermittler Schlobach. Der ist absurd, grotesk, ja, kafkaesk. Häufiger aber sind Ich-und-Freundin-Konstellationen. Die Freundin dient dabei als Reibebaum. Er - also das Ich - ist ein niedlicher Chaot mit offen zur Schau getragenen Schwächen, dem man schlussendlich doch kaum böse sein kann.

Es geht oft um Missverständnissse: sich nicht zuhören, nicht verstehen, etc. Ganz normaler Beziehungskram. Es geht gern um Kommunikationsprobleme und Probleme mit dem Alltag an sich - zum Beispiel die Schikanen des Einkaufengehens - sind meist der Geschichten Anfang. Gerne hopsen überraschend Märchenfiguren in die realitätsnahen Geschichten und aktuelle gesellschaftspolitische Bezüge dürfen ebensowenig fehlen wie Facebook, iPhone, Counterstrike, etc. Der "Die-und-das-Gefällt-mir"-Witz ist unumgänglich aber oft ja auch gut. In Summe: Alle Rohre hoch für das Mädchen vom Strübing.

VOLKER STRÜBING. DAS MÄDCHEN MIT DEM ROHR IM OHR UND DER JUNGE MIT DEM LÖFFEL IM HALS. Voland & Quist 2013, ISBN 978-3-86391-026-6