DER KOPF IST EIN KOCHTOPF. MANCHMAL DIE WELT IST EIN SUPPENTOPF. VIELLEICHT

Autor*in: Nino aus Wien
REZENSION: Wolfgang Kühn
Im Herbst 2023 hatten wir den Nino aus Wien zu einer Veranstaltung im Rahmen von "Literatur im Kino" nach Langenlois eingeladen. Da man bei den eigenen Veranstaltungen oft zu wenig Zeit findet, um mit den Künstlerinnen und Künstlern zu plaudern, hab ich mich schon tags davor mit dem Musiker in Gars am Kamp getroffen, wo er sich für zwei Tage zum Songschreiben einquartiert hatte. Nach einem gemütlichen Herbstspaziergang war die Freude groß, als er mir sein druckfrisches, noch zu präsentierendes "Kochbuch Take 16" als Präsent überreichte.

"Ein Kochbuch?", war ich überrascht, um nach der Lektüre des ersten Kapitels festzustellen, dass es sich um doch kein Kochbuch handelte. Was ist es dann? Auf den ersten Blick eine ungeordnete, chaotisch anmutende Ansammlung von Gedichten, Sätzen, Satzfetzen, Gedanken und dergleichen, aber wie hat schon Friedrich Nietzsche einmal gemeint: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern zu gebären.

Nun, es ist vielleicht kein Stern im herkömmlichen Sinn dabei, auch wenn Kapitel 12 mit "Die Sterne" übertitelt ist, aber dafür viele herrlich funkelnde Satzperlen: "wenn die Gitarre Tränen trinkt / sind meine Hände Messer" oder "Wenn wir uns / den Käse / nachwerfen / landen Löcher in / unseren Herzen" oder "Die Sonne tut mir leid bei der Kälte", um nur drei davon anzuführen.

Karaoke / Chat

"Kochbuch Take 16" ist ein sehr persönliches Buch geworden, gibt tiefen Einblick in das Wesen des Nino aus Wien. Da lernt man einen Künstler kennen, der voller Hochachtung und Ehrfurcht über viele Kolleginnen und Kollegen ("Mit dem Ernst singen ist wie wenn du eine Feder rauchst. Golden Molden") schreibt, etwas das in einer stets auf den eigenen Vorteil bedachten Ellbogen-Gesellschaft nicht selbstverständlich ist, denn "Die Zeiten sind wenig romantisch" ... und der gleichzeitig aber auch sehr selbstkritisch ist und mitunter von Selbstzweifeln geplagt scheint: "Musikalisch komm ich vom Karaoke. / Lyrisch vom Chat.", "Ich hab Probleme, die ein jeder auf den ersten Blick entdeckt" oder "Ich muss noch so viel lernen".

Der in sechzehn Kapitel gegliederte Band gibt einen schönen Einblick in Ninos lyrisches Schaffen - "Ich such in alten Plänen / das Verlaufen meiner neuen Wege". Fans seiner Musik werden einige Songtexte erfreut entdecken, wie etwa das geniale "Winter im April" mit der schönen Textzeile "wie haben immer geliebt / und es war immer krieg / das leben wird vom leben stets gekillt".

Salzgurke

Es geht in "Kochbuch Take 16" dann doch auch ein wenig ums Essen und Trinken: "Die Wiener Version der Auster ist eine einzelne Salzgurke aus dem Fass" oder "Diese rote Rotwein schmeckt wie eine angsoffene Kirsche im Halbschlaf auf einem Tabak-Schokoladenbett" - welch geniale Beschreibung eines edlen Rebensaftes, die jeden Weinkritiker vor Neid erblassen lässt!

Ansonsten ist der Nino ein Mensch, der gerne und oft reist - am liebsten an die Adria, denn "hier wachsen die Muscheln auf den Stiegen auf", jene Adria, deren Anziehungskraft sehr stark für ihn sein muss, denn "ich habe Adria am Unterarm tätowiert" -, der aber auch gerne back home in Hirschstetten ist - "Aufd Insel geh i in da Frua und schau da Sunn beim Woamwean zu", stark an John Lennon und "Watching the wheels" erinnernd - und der vor allem auch gerne Spazieren geht - "Meine Gedanken kommen aus den Füssen" - und daraus seine Kreativität schöpft, auch wenn er treffend erkennt "In Wahrheit gehen wir auf Knochen".

Ein besonderer Bonus von "Kochbuch Take 16" ist, dass man es mit Sicherheit mehrmals lesen kann und immer noch etwas Neues, etwas Spannendes zu entdecken vermag, ohne dass es je langweilig wird.

NINO AUS WIEN. KOCHBUCH TAKE 16. redelsteiner dahimene edition. Wien. 2023. ISBN 978-3-9504650-5-1