ALS JESUS IN DIE PUSZTA KAM

Autor: GÁBOR FÓNYAD
REZENSION: Wolfgang Kühn
Viktor Orbán hätte seine Freude, würde er diesen Roman lesen. Zumindest bis Seite 249, dann würde er ihn vermutlich irritiert und angewidert weglegen. Oder auch nicht ...
Selbstredend wird hier nicht verraten, was in diesem Buch nach Seite 249 passiert, nur so viel, SIE werden den Roman bestimmt nicht irritiert und angewidert weglegen, im Gegenteil, SIE werden ihn mit Neugier und Genuss zu Ende lesen, ihn förmlich verschlingen.

Nach seinem 2015 erschienenen Debüt "Zuerst der Tee" legt der 1983 geborene Gábor Fónyad, Sohn einer aus Ungarn stammenden Musiker- und Theologenfamilie, mit "Als Jesus in die Puszta kam" seinen zweiten Roman vor, erschienen im neu gegründeten Verlag Elster & Salis Wien. Der in Mistelbach im Weinviertel lebende und dort an einem Gymnasium und in Wien an der Universität unterrichtende Gábor Fónyad hat sich in seinem neuen Buch der faszinierenden (Schein-)Welt der Fake News und Verschwörungstheorien angenommen, liegt damit haarscharf am Puls der Zeit.
Von selbigem ist es nicht mehr weit zum Nabel der Welt, nach Szentkukac in der ungarischen Puszta, wo die Gemeinschaft der Urmagyaren felsenfest davon überzeugt ist, dass Gott Ungar sei, dass Noah neben seinen drei namentlich überlieferten Söhnen Sem, Ham und Jafet noch einen vierten Sohn namens Zoltán gezeugt hatte, der in der Bibel jedoch unter den Tisch fallen gelassen wurde.

Es muss ein Jesus her

Um die Theorie der Urmagyaren zu untermauern, muss ein Jesus her, der als Messias nach Szentkukac zurückkehrt. Ludwig, antriebsloser Verkäufer in einem Spielwarengeschäft in Wien, seines Zeichens sowohl beruflich als auch privat eher auf der Verliererseite, erscheint als die perfekte Besetzung für den wiederkehrenden Heilsbringer. Geschickt wird er von den "Urmagyaren" István, Béla und Benedek von Wien in die ungarische Puszta gelockt, ohne dass Ludwig viel Verdacht geschöpft hätte, was die drei im Schilde führen.
Erst nach und nach und bedingt durch "Denkanstöße" vonseiten der Pfarrerstochter Tina, wird Ludwig klar, dass er in Szentkukac als der verlorene Gottessohn "gepriesen" wird. Die Dinge laufen immer mehr aus dem Ruder, die Urmagyaren übernehmen immer mehr die Macht im Dorf, Andersdenkende ziehen "freiwillig" fort oder verschwinden einfach. Ludwig und Tina stehen beide gleichsam unter Hausarrest, werden auf Schritt und Tritt bewacht ...

Ja, soweit wäre Viktor Orbán beim Lesen des Romans auch gekommen, hätte sich zufrieden auf seiner Couch geräkelt und vielleicht sogar überlegt, diesen Gábor Fónyad zu seinem persönlichen Biographien zu ernennen.
Gábor Fónyad ist mit "Als Jesus in die Puszta kam" ein wunderbares Stück Satire gelungen, das der Realität gefährlich nahe kommt. Der Roman kommt leichtfüßig daher, ist vergnüglich zu lesen. Vergleiche mit den großen Meistern Radek Knapp und Jaroslav Rudiš drängen sich auf.
Absolute Leseempfehlung und perfekte Geschenkidee für den Geburtstag des Gottessohnes, ähm Weihnachten!

GÁBOR FÓNYAD. ALS JESUS IN DIE PUSZTA KAM. Elster & Salis Wien. 2021. ISBN 978-3-03930-024-2