HAUS,FRIEDENS,BRUCH.

AUTORIN: MARGIT SCHREINER
REZENSION: KATHRIN KUNA
Ich weiß auch nicht, wieso Gesellschaftskritik dem deutschsprachigen Leser seit neuestem solchen Genuss bereitet, dass er jetzt nur noch Krimis lesen möchte, weil dort noch Gesellschaftskritik geübt werden darf.

Diese Frage stellt sich Margit Schreiner auf Seite 100 ihres neuen Buchs. An dieser Stelle hat der Leser schon von ihrer Tochter, ihrem Lebensgefährten und der besten Freundin erfahren. Man weiß schon, dass die Tochter in einem schwierigen Alter ist, der Lebensgefährte gerade wieder etwas fremd und fern wirkt und die beste Freundin zum Beispiel durch schwierige Ikea-Heimwerkerstunden begleitet hat. All das finden sie etwas banal? Möglicherweise. Sehr normal sind die Fragen auf jeden Fall, die sich Margit Schreiner hier stellt. Nur allzu menschlich und zum Teil sehr intim sind die Probleme, die von der Autorin aufgegriffen und praktisch im Dialog mit dem Leser/ der Leserin besprochen werden. Manche Fragen bleiben offen, einige werden beantwortet - und dies in einer für Schreiner bekannten zutiefst ehrlichen und selbstkritischen Art.

Einblick in die Seele

Von der ersten Seite an wird der Leser/ die Leserin in den Bann gezogen, indem die Autorin sich direkt an ihn/ sie wendet und das Gefühl gibt, man wisse nun als einziger wirklich Bescheid. All die anderen, die im Umfeld der Autorin auftauchen und beschrieben werden, hätten nicht einmal ansatzweise einen solchen Einblick in die Seele und die Gedanken der Schreibenden. Ein bekanntes literarisches Verfahren, das aber die längste Zeit schon nicht mehr angewandt wurde.

Handelt es sich um die Abrechnung einer in die Jahre gekommenen Autorin? Nein! Dieser Text ist weder eine Abrechnung, noch ist Schreiner eine in die Jahre gekommene Autorin. Margit Schreiner ist die kritische, intelligente, aufwühlende und zugleich versöhnende Stimme der österreichischen Literatur und das beste Beispiel dafür, dass man nie aufhören darf die Dinge (um einmal ein paar Themen dieses verschriftlichten Monologs zusammenzufassen) zu hinterfragen.

Kellerloch und Dachgeschosswohnung

Dieses Buch liest man am besten in den nahenden Weihnachtsfeiertagen. Parallel dazu passen Aufzeichnungen aus dem Kellerloch von Dostojewskij. Beide Texte zeigen sehr gut, wie es aussehen kann, wenn AutorInnen versuchen innezuhalten, alles in Frage stellen, Antworten suchen, Lösungsvorschläge abwiegen, Theorien kritisieren und neue aufstellen. Kellerloch und Dachgeschosswohnung - die ideale Mischung, wo wir doch die meiste Zeit zwischen Erdgeschoß und Hochparterre hin- und herlaufen.

MARGIT SCHREINER, HAUS,FRIEDENS,BRUCH. Schöffling & Co. 2007, ISBN 978-389561-277-0