José F. A. Oliver ist Dichter, Übersetzer, Präsident des PEN-Zentrum Deutschlands und seit Jahrzehnten Veranstalter eines ganz besonderen Literaturfestivals im Schwarzwald, dem Hausacher LeseLenz (www.leselenz.com). Seit den 1980er Jahren hat er zahlreiche Bücher veröffentlicht. Im aktuellen Essay-Band "In jeden Fluss mündet ein Meer" nimmt er uns mit auf eine Reise durch Zeit und Raum. Oliver ist daheim in der Sprache und immer unterwegs. Er schenkt uns Einblicke in eine 1960er-Jahre-Kindheit und Ausblicke ins Offene.
Wir erfahren, wie ein Schwarzwaldkind zum Meermann wird, immer umspült von mehreren Kulturen. Das ergibt einen interessanten Sprachmix, da entsteht etwas Eigenes, da ist etwas am Ersprachen. Das sind aufgeweckte Beobachtungen, das sind wertvolle Schlaglichter auf Vergangenes zum Wohle eines gemeinsamen Sprach-Meers. Da gibt es prägende Vater-, Mutter- und Glaubenssätze von der Schöpfung bis zur Erschöpfung. Da gibt es gewitzt erhellende Wortbetrachtungen und Wortanrufungen, die mitunter mehr Fragen als Antworten sein sollen. Da wird uns schönstes "Wahrgelogenes" (S. 28) präsentiert und wir fragen uns: Ist das Erinnern nicht immer irgendwie auch ein Zurechterinnern? Ist das Erinnern das Veräußern des Inneren?
Ja, diese Essays laden ein zum Fragenstellen und Abtauchen in die eigenen Erinnerungen. All das kommt in einem ureigenen Ton daher: "Sanft untermütig aus Verlegenheit und Sinnesscham." (S. 62). Und zum Schluss gibt es als Draufgabe eine Art Zusammenfassung in eindringlich-eigenwilliger Spoken-Word-Manier. Ja, dieser Dichter kommt aus gutem Haus. Ach!
JOSÉ F. A. OLIVER. IN JEDEN FLUSS MÜNDET EIN MEER. Matthes & Seitz. 2023. ISBN 978-3-7518-0950-4