FLIAGN KINNA

Autor*in: Christine Tippelreiter
REZENSION: Wolfgang Kühn
Christine Tippelreiter ist eine der bekanntesten Dialektautorinnen aus Niederösterreich. Die Mostviertlerin, die auch in Hochsprache schreibt, hat bereits sechs Gedichtbände veröffentlicht, u. a. den Band "seifenblasenbunt" (mit Illustrationen von Ingrid Loibl) in der Literaturedition Niederösterreich. In der Edition Innsalz ist letzten Herbst ihr mittlerweile siebenter Lyrikband ("fliagn kinna") erschienen. Christine Tippelreiter ist auch abseits der eigenen Literatur sehr umtriebig. So ist sie Gründerin und Leiterin der Wieselburger Autorengruppe "Schriftzug 3250" und stellvertretende Vorsitzende der Österreichischen DialektautorInnen und außerdem noch erfolgreiche Fotografin mit schon mehreren Ausstellungen.

Ihr neuester Band, den sie auch mit einigen eigenen Schwarzweiß-Pflanzenfotos illustriert hat, ist in vier Kapitel gegliedert: so bin i / so is / so woas / so wos. Wie der Titel "fliagn kinna" schon assoziiert, spielen bei Christine Tippelreiter Wünsche und Sehnsüchte eine nicht untergeordnete Rolle. So zum Beispiel in den Gedichten "Hoamweh" (a oida / windschiefa Stodl // vo da Fassad / bladdld d'Foab o // a rostigs Fenstakreiz / und d'Spinnaheid ums Haus // dazua / an oidn Bianbam // waun / nua koana / wos aurian dad // i mog / mei Hoamweh / noch friara) und "d'Sun" (d'Sun / und / da Schodn // 's Woat / und / 's ned Gsogde // des Greane / und / des Graue // d'Wiesn / und / da Beton // woarum / liegt ois / so knopp / beinaund). Die Autorin, die, wie bereits erwähnt, auch als Fotografin reüssiert, vermag es, in ihren Worten schöne Bilder zu zeichnen, wie etwa in "'s Lebm" ('s Lebm / is wia / a Eimochknedlsuppn // wauns hoaß is / vabrennsd di // wauns lauwoam is / is fad).

Ohne Reim

Christine Tippelreiter liebt die "Mundoat", sie erachtet sie als "die Sprache des Herzens" und als "die Sprache unserer Vorfahren" und bedauert es, dass sie oft behandelt wird, "wia wauns ned za uns ghearad": (in Kindagoatn faungds scho au / in Schuigeh woinses a ned / in de Schuibiachl steht nix / ... / in da Zeidung find mas unta d'Exotn // wia wauns ned / zu uns ghearad // unsa Mundoat). Christine Tippelreiter ist keine - und das kann man der Mundartautorin nicht hoch genug anrechnen - die auf Teufel komm raus, versucht, ihre Gedanken in mehr und weniger geglückte Reimkorsette zu "kleiden", genau das Gegenteil ist der Fall - sie kommt auf den knapp 130 Seiten ohne jegliche "Reimzurechtbiegungen" aus und das ist gut so!

Die Autorin, und da kommen wir wieder zurück auf die eingangs erwähnten Sehnsüchte und Wünsche, träumt in ihren Gedichten mitunter von einer etwas entspannteren (früheren) Zeit und nimmt das moderne Zeitalter aufs Korn. In "wos hob i dau" beispielsweise fragt sie sich nach einer Aufzählung von über zehn täglich zu erledigenden Dingen, die noch vor fünfundzwanzig Jahren völlig exotisch geklungen hatten, "wos i friara / an gaunzn Tog / so dau hob".

Haxl stön

Auch die "neudeutsche" Sprache, die weitverbreitete Verwendung von Anglizismen, bekommt ihr Schmalz ab: "Haxl stön": (Haxl stön / Wadl beissn / aurenna lossn / schikaniern / Öbogntechnik / Hackl ins Greiz / üwa Leichn gehn // des gibt's / do heid / ois nimma // des / hoaßd / hiazt / Mobbing).

"fliagn kinna" - wäre schön, wenn man manchmal einfach weit weg fliegen und alles Unangenehme und Nervige hinter sich lassen könnte. Das dünne Büchlein von Christine Tippelreiter darf man sich da aber getrost mitnehmen!

CHRISTINE TIPPELREITER. FLIAGN KINNA. Verlag Innsalz. Munderfing 2023. ISBN 978-3-903496-00-2