DAS FELD

AUTOR: ROBERT SEETHALER
REZENSION: Wolfgang Kühn
Was wäre, wenn die Toten sprechen könnten? Uns aus ihrem Leben erzählen könnten? Der in Wien und Berlin lebende österreichische Schriftsteller Robert Seethaler hat sich in seinem neuen Roman dieses Themas angenommen. "Das Feld", so der Titel des Buches, benennt den Gottesacker von Paulstadt, auf dem die neunundzwanzig Toten in Frieden ruhten, ehe sie Robert Seethaler zum Erzählen erweckte.

"Als ich starb, ..." erhebt die erste Tote, Hanna Heim, ihre Stimme und man ahnt schon, dass das kein fröhliches Buch werden wird. Zwar hat Robert Seethaler noch nie leichte Unterhaltungsliteratur geschrieben - schon sein vordergründig heiteres Debüt "Die Biene und der Kurt" war von einer melancholischen Grundstimmung durchtränkt - doch sein jüngstes Buch ist das bislang traurigste, nachdenklichste, eine Steigerung, die man nach "Ein ganzes Leben" für gar nicht mehr möglich gehalten hätte. In "Das Feld" schreibt der 1966 geborene Autor von den letzten Dingen der Menschen, darüber, worauf sich ein Leben im Rückblick reduzieren lässt.

Die Schwere des Buches liegt vermutlich darin begründet, dass der Autor Wirklichkeit niedergeschrieben hat. Jedes einzelne der neunundzwanzig Schicksale mag schon unendlich oft passiert sein, wir werden ständig mit diesen Dingen konfrontiert, die dargestellten Figuren sind zu echt, um als reine Fiktion durchzugehen, was wiederum ein großes Kompliment an die Schreibkunst des Autors ist. Ein korrupter Bürgermeister, ein durchgedrehter Pfarrer, ein bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückter Jugendlicher, ein Spielsüchtiger und viele andere gewöhnliche und ungewöhnliche Charaktere, die Paulstadt zu einem Ort erheben, in dem wir alle leben.

Mosaiksteine im fiktiven Stadtplan von Paulstadt

"Das Feld" besticht im Unterschied zu den vorangegangenen fünf Büchern Seethalers nicht durch eine durchgehende Handlung. Die dreißig Kapitel beschreiben Menschen, die in Paulstadt gelebt haben, die sich zum Teil gekannt haben und in Verbindung zueinander gestanden sind. Jedes einzelne Kapitel ist ein Mosaikstein im fiktiven Stadtplan von Paulstadt, nicht alle Flächen werden erschlossen, jede Stadt hat auch ihre blinden Flecken, ihre Geheimnisse.

Nachdem Robert Seethaler in seinem sechsten Buch mit dem Gottesacker die letzte Ruhestätte der Menschen mit viel literarischer Akribie beackert hat, bleibt nur noch die Frage: "Was kommt danach?"

ROBERT SEETHALER. DAS FELD. Hanser Berlin. 2018. ISBN 978-3-446-26038-2