ERFAHRUNGSSCHÄTZE AUS DEM KAMPTAL

Autor*innen: JOSEFA MAYER-PROIDL / ILSE HELBICH
REZENSION: Wolfgang Kühn
Die jüngsten Bücher zweier Autorinnen aus dem Kamptal werden an dieser Stelle besprochen. Beide verfügen über einen großen (literarischen) Erfahrungsschatz, was sich nicht zuletzt bereits aus den Buchtiteln "Wenn das Leben Tango tanzt" bzw. "Wie das Leben so spielt" ablesen lässt.

WENN DAS LEBEN TANGO TANZT

Die in Horn lebende, pensionierte Agraringenieurin und Erwachsenenbildnerin Josefa Mayer-Proidl ist aufmerksamen DUM-Leserinnen seit vielen Jahren ein Begriff. Vornehmlich in unseren Dialekt-Ausgaben durften wir sie schon des Öfteren abdrucken. Den Dialekt lässt sie jedoch in ihrem Kurzgeschichtenband außen vor, einem gerade einmal einhundert Seiten dicken Büchlein, das 26 ganz kurze und ein paar längere Geschichten enthält. Die abwechslungsreichen Erzählungen sind teils fiktiver Natur, teils literarisch nachempfundene Erinnerungen.

Nicht wenige Texte handeln über die Mühen des Alter(n)s - Pflegeheim, Krankheit, all das, was in jungen, unbeschwerten Jahren gerne verdrängt wird - es sind die schwersten, aber auch die bedrückendsten, aber auch die berührendsten Geschichten dieser Sammlung.

Ebenfalls sehr nahegehend die siebzehnte Erzählung im Buch mit dem Titel "Die Vergangenheit ausgelöscht, die Zukunft unvorstellbar". Die traumatische Erinnerung an die Flucht aus Polen im Jahr 1944/45, die der Autorin, wie der Untertitel "Was Kinder alles ertragen können" verrät, einen wohl lebenslangen Rucksack umgehängt hat. "Bis die Sterne wie Diamantensplitter am Himmel funkeln" verführt in die DUM-Heimat Zöbing, von wo es nur ein Katzensprung zur Autorin des zweiten hier besprochenen Buches ist.


WIE DAS LEBEN SO SPIELT

Noch dünner als der von Josefa Mayer-Proidl ist der Band von Ilse Helbich, der gerade einmal achtzig Seiten fasst. Vielleicht ist es das Gute am fortgeschrittenen Alter, dass man mit weniger Worten auskommt, um das Essentielle zu (be-)schreiben. Ilse Helbich wird, wenn diese Rezension erschienen ist, bereits ihren 100. Geburtstag begangen haben. Mit achtzig hat sie ihren ersten Roman ("Schwalbenschrift") veröffentlicht, seither ist sie fixer Bestandteil der österreichischen Literaturlandschaft, 2018 wurde ihr der Würdigungspreis des Landes Niederösterreich verliehen.

Die in Schönberg am Kamp - im Buch zu Scharberg verfremdet - lebende Autorin schenkt uns zwei kürzere und eine lange, die Titel gebende Erzählung, die gut und gerne als eine Art "Dorfkriminalgeschichte" gelesen werden kann. Ein pensioniertes Professorenehepaar, das sich in Scharberg niedergelassen hat, wird von der Vergangenheit eingeholt. Die ganz harmlos und lieblich beginnende Erzählung nimmt immer mehr Fahrt auf und sprengt schließlich die Kamptaler Idylle - Stille Wasser sind wohl doch tief!

Das Leben und die Leute am Land sind es, die es Ilse Helbich angetan haben, die Außenseiter, die Sonderlinge, die Komischen. Die Geschichten kommen ganz leichtfüßig daher und haben doch jede Menge Tiefgang. Möge uns die Autorin noch viele davon schenken!


JOSEFA MAYER-PROIDL. WENN DAS LEBEN TANGO TANZT. Verlag Berger. 2023. ISBN 978-3-99137-050-5

ILSE HELBICH. WIE DAS LEBEN SO SPIELT. Droschl. 2023. ISBN 978-3-99059-141-3