DONAUABWÄRTS

Autor*in: OTHMAR PRUCKNER
REZENSION: Wolfgang Kühn
Wenn eine(r) eine Reise tut, wünscht er sich im Normalfall keinen REGEN. Noch dazu, wenn er oder sie mit dem Fahrrad unterwegs ist. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Ein schönes Lied davon könnte der Journalist, Sach- und Reisebuchautor Othmar Pruckner (Jahrgang 1957) singen, der in 33 Tagen mit dem Fahrrad vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer gefahren ist. Das waren insgesamt etwa 3.300 Kilometer, was einen Schnitt von beachtlichen 100 Kilometern pro Tag bedeutet. Diese "Ochsentour" hat der gebürtige Langenloiser in mehreren Etappen absolviert, wobei die Abschnitte Donaueschingen bis Passau und Wien bis zum Schwarzen Meer jeweils in einem durch. Der Ausdruck "Ochsentour" hat durchaus seine Berechtigung, denn - welch Überraschung! - Radfahren ist eine Outdoor-Sportart ...

Schon der Beginn, der Versuch, zu den Anfängen der Donau, zur Bregquell, zu gelangen, ist ein - wetterbedingtes - aussichtsloses Unterfangen. Wer an einem 25. April in Donaueschingen bei fünf Grad plus und leichtem Regen 400 Höhenmeter Richtung Quelle radeln möchte, muss in weiterer Folge mit Temperaturen um den Gefrierpunkt rechnen ... und weiß angezuckerten Baumwipfeln. Bereits hier im ersten Abschnitt des Buches wird eine Facette deutlich, die den Autor von Anfang an sympathisch erscheinen lässt: Er ist nicht der strahlende Held, der jede Steigung und jede Wetterkapriole mit links bewältigt, sondern einer, der uns an seinem Sich-Quälen und gelegentlichem Scheitern hautnah mitradeln lässt, gleichsam am virtuellen Gepäcksträger.

Das Unerwartete

"Es ist das Unerwartete, das begeistert", wie der Schriftsteller Ilija Trojanow an einer Stelle des Buches zitiert wird, auch wenn sich diese Begeisterung gelegentlich - mit 13 Kilo Gepäck und 500 Höhenmetern - in Grenzen hält. Doch es sind nicht nur die Leiden und Freuden des Autors, die das Buch äußerst lesenswert machen, sondern auch die detaillierten Landschaftsbeschreibungen (inklusive der 170 Fotos) und das Hintergrundwissen - von Othmar Pruckner geschickt und kurzweilig eingeflochten. So zum Beispiel die unbändige Reiselust weckende Schilderung des beeindruckenden "Eisernen Tors", jenes berühmten Durchbruchtals an der Grenze von Serbien und Rumänien, oder das Geheimnis der "Ulmer Schachteln", mit denen die Aussiedler im 18. Jahrhundert von Ulm aus in die weitgehend entvölkerten Gebiete der Batschka, der Wojwodina und des Banats fuhren, um fortan als "Donauschwaben" zu leben und zu überleben, oder der Reiz und Charme der hierzulande eher unbekannten Elias Canetti-Stadt Ruse am bulgarischen Donauufer.

Wir fiebern und strampeln mit dem Autor mit auf seiner spannenden Reise ans Schwarze Meer, das Buch ist weit mehr als im zweiten Untertitel bescheiden "Ein Reise-Lesebuch" bezeichnet. "Ich habe mich auf diesen 3.300 Kilometern donauabwärts nicht nur gefreut", gesteht Othmar Pruckner. "Ich habe mich oft geplagt und mitunter gequält. Ich habe geschwitzt und gezittert, gekeucht und geflucht. Dennoch bereue ich keinen einzigen der vielen Kilometer, die ich gefahren bin. Ganz im Gegenteil." Genauso wie man beim Lesen des Buches keine einzige Seite bereut - ganz im Gegenteil!

OTHMAR PRUCKNER. DONAUABWÄRTS. 2024. Falter-Verlag. ISBN 978-3-99166-001-9