DISTANZSCHULE

AUTOR: HERBERT HINDRINGER
REZENSION: KATHRIN KUNA
Noch bevor man das Buch überhaupt aufklappen kann, muss man minutenlang die Schwarzweißfotografie auf dem Cover betrachten. Es ist ein unbeschreiblich schönes Bild von einem Balletttänzer und einer Balletttänzerin vor einem hellen Fenster, im Hintergrund 60er-Jahre-Tapeten, und passt perfekt zum Titel. Nähe und Distanz - und die Verbindung dazwischen - hat man selten besser illustriert gesehen.

Wendet man das Buch wird die Fragilität, die durch den Titel und das Foto angekündigt wurden, herrlich ironisch gebrochen. So heißt es: Es gibt Bücher, mit denen man Ungeziefer erschlägt und es gibt Bücher, mit denen man das nicht tut. Ebenso charmant und humorvoll wirkt der junge Autor auf dem Portrait darunter. Wirklich lachen muss man dann spätestens bei der Kurzbiografie daneben und perfekt abgerundet wird die Aufmachung durch das zweite Zitat nach einem Auszug aus einer Kritik in der Süddeutschen Zeitung: neulich las mir jemand aus deinem buch vor. ich glaube, das war der augenblick, in dem ich mich in diesen menschen verliebte. (Junge Frau per E-Mail)

Melancholie und Ironie huschen am Zynismus vorbei

Wenn sich über die Umschlaggestaltung und Präsentation eines Buches schon einmal so viel feststellen lässt, ist man fast ängstlich beim Aufklappen, dass man jetzt vielleicht doch zuviel erwartet. Dann stößt man auf ein einleitendes Zitat von Funny van Dannen, atmet erleichtert durch und beginnt endlich die Gedichte zu lesen. Wie könnte es anders sein! Die meisten der auf 125 Seiten verteilten und in Verse gefassten Gedanken handeln von der liebe und vom suchen des glücks. Melancholie und Ironie reichen einander die Hand und tasten sich langsam voran, huschen am Zynismus vorbei auf dem Weg zu Ernsthaftigkeit und Tragik, um zu sehen dass Erkenntnis und Gelassenheit immer in wohltuender Nähe sind.

Als unaufgeregt im besten Sinne könnte man Herbert Hindringers Poesie vielleicht bezeichnen. Mit Versen wie und unser held hat nicht einmal knie und schon gar keinen grund zaubert er uns völlig ungekünstelt ein Lächeln auf die Lippen. Die bittersüße Komik wird in klaren, schnörkellosen Wortketten, mal kürzeren, mal längeren Satzarrangements zum Ausdruck gebracht. Der zuweilen verspielte Umgang mit Worten und Kreationen wie der nichtbrauchertag erzeugen Leichtigkeit und man merkt erst danach, dass man zwischendurch ein bisschen romantischem Zauber verfallen sein mag. Wo Licht ist, ist aber natürlich auch Schatten. magengeschwüre und löcher zeigen, dass es zuweilen eine Krux ist mit der vergangenen Nähe, der sich bereits eingestellt habenden Distanz zwischen zwei Menschen. Das nüchterne Ende lautet: wir überleben. Und so soll es auch sein!

Dieser Gedichtband ist ein wunderbares Geschenk von yedermann für jedermann. Danke!

HERBERT HINDRINGER, DISTANZSCHULE. Yedermann, 2007, ISBN 978-3-935269-35-3