DIE TRÄUMER

AUTOR: PETER TRUSCHNER
REZENSION: KATHRIN KUNA
Auf den ersten Blick ein wunderbarer Roman über die Möglichkeit und die Unmöglichkeit einer Liebesbeziehung. Zu folgenden Notizen habe ich mich hinreißen lassen nach der Mitte des Romans: Schon lange wurde Liebe nicht mehr so aufrichtig dargestellt. Schon lange schrieb ein Mann nicht mehr so wissend über die Frauen. Und über die Männer. Nach "Die Habenichtse" der nächste große Roman über eine Generation, die alles verliert, indem sie alles zu besitzen vermag. Ein Buch das man gerne verfilmen möchte.

Peter Truschner erzählt in den Kapiteln abwechselnd aus der Sichtweise von Robert und Iris die Geschichte ihrer Beziehung, die scheitert, ohne dass jedoch die Liebe der beiden füreinander erloschen wäre. Vielmehr erzählt er wie es Iris Freundin, Inga, anspricht von der Unfähigkeit eine Ehe, die nicht mehr funktioniert zu beenden, und die Liebe in eine Freundschaft zu retten oder zumindest den Versuch zu starten die Form der Beziehung gemeinsam neu zu überdenken.

Würde man das Buch verfilmen, könnte man zwei Menschen in abwechselnden Szenen in derselben Wohnung zeigen, ohne dass sie einander in dieser begegnen. Sodass der Eindruck entsteht, dass sie zwar zusammen wohnen aber nicht mehr zusammen leben. Zwischendurch könnte man sie dann gemeinsam sehen. Wortlos. Wie sie miteinander schlafen. Oder einander einfach küssen. Oder umarmen. Der Zuschauer könnte dann wie der Leser für sich klären, ob es sich um Rückblicke in "bessere Zeiten" handelt oder ob es die letzten Überreste aus diesen sind.

Faschistoider Lebensstil als Lösung?

Die Stadt, in der Iris und Robert leben, bekommt keinen Namen. Und kann aufgrund des apokalyptisch stimmenden letzten Drittels des Romans und des Endes als Beispiel für jede Großstadt gelten. Die Stadt als Ort der Gegenwart, in der man scheitert - Robert beruflich und privat, Iris privat - im Gegensatz zum Land, dem Dorf, das für die Kindheit und Jugend steht. Eine Zeit zwar nicht unbeschwerter war, in die sich Robert dennoch zurücksehnt. Die Kindheit und die Jugend, die aber als Grundlage für das spätere Leben zu verstehen sind.

Der Respekt des Vaters, den man nicht bekommen hat, und daher noch als Erwachsener sucht. Eine Grundlage, der man sich laut Voß nie entziehen kann. Umso beunruhigender, dass es die Jugend ist, die hier am Ende des Buches von fanatischen Helfern betreut wird, weil die Eltern (Menschen im Alter von Robert und Iris) nicht imstande dazu sind. Es gibt da Voß, dessen Reden stark an nationalsozialistisches Gedankengut erinnern, der die älteren Jugendlichen in paramilitärischen Übungen drillt. Und dann gibt es noch sein Gegenstück, der wie ein christlicher Fanatiker wirkt, zwar an das Gute im Menschen glaubt, aber sich der Hölle als notwendiges Gegenstück zum Paradies sicher ist.

Das Ende des Romans ist in vielerlei Hinsicht problematisch! Will der Autor ernsthaft einen faschistoiden Lebensstil als Lösung vorschlagen? Und erklären, dass dieser durch den fehlenden Respekt der Eltern hervorgerufen werden kann? Oder will er diesen parodieren? Will er aufzeigen, was passiert wenn sich das intellektuelle Bürgertum im Selbstmitleid verliert und kapituliert? Oder was ist hier eigentlich los? Inwiefern der Autor den milieutheoretischen Ansatz verteidigt, bleibt letztlich auch offen, denn wenn Robert auch in seinem Emanzipationsversuch scheitert, indem er sich für völlige Gleichgültigkeit sich selbst und dem Leben gegenüber entscheidet, sich zwar aus den gesellschaftlichen Normen befreit, aber nicht aus seiner eigenen Ohnmacht befreien kann, weil er Verantwortung weiterhin ablehnt, bleibt es offen, ob es Iris gelingen wird.

Allein gelassener Leser

Mit gutem Willen kann man in dem offenen Ende ihrer Geschichte einen Hoffnungsschimmer am Ende des Romans entdecken. Aber eigentlich fühlt sich der Leser ein bisschen allein gelassen. Es stellt sich die Sinnfrage, nicht die nach dem Sinn im Leben, sondern die nach dem Sinn im Roman. Der Autor hätte sich nicht der Lösung seines Protagonisten anschließen dürfen, der sich für Verstummen entscheidet: "Worte", sagte Robert, "nichts als Worte. Ich hab's so satt. Dieser ständige Drang, etwas sagen zu müssen. Wie atmen. Oder pissen. Nein - schlimmer noch. Viel schlimmer." Schlimm ist, dass in diesem Roman noch ein paar wenige, aber entscheidende Worte fehlen! Hinter dem romantisch anmutenden Titel verbirgt sich eine fragliche Botschaft.

Dieses Buch ist: Mit Vorsicht zu genießen.

PETER TRUSCHNER, DIE TRÄUMER, Paul Zsolnay Verlag, Wien 2007. ISBN 3552053263