CHIKAGO

AUTORIN: THEODORA BAUER
REZENSION: Martin Heidl
"Feri und Katica leben Anfang der zwanziger Jahre in einem Gebiet des Aufruhrs und des Umbruchs und vor allem der Armut: an der noch jungen ungarisch-österreichischen Grenze. Die große Hoffnung heißt "Amerika", vor allem für Feri, der die schwangere Katica mitnehmen will. Ein Unglück und das beherzte Eingreifen von Katicas Schwester Anica lassen die Auswanderpläne zur Flucht werden, nun sind sie zu dritt. Doch das Leben in Amerika ist nicht so gut zu den drei Auswanderern wie erhofft: Katica stirbt bei der Geburt ihres Kindes, Feri wird zum Säufer und Tagedieb, und bald muss Anica die Verantwortung für den kleinen Josip übernehmen ..."

Theodora Bauer nimmt uns mit, bzw. entführt uns, nach Amerika; wie die Fotografie am Buchcover schon ausdrückt, als die Statue of Liberty aus dem Nebelhintergrund auftaucht, waren "wir" alle voller Hoffnung. Sprachlich spielt die Autorin mit uns, indem Sie die Namen der ProtagonistInnen mal in der einen, mal in einer anderen Sprache verwendet, um die "Vielfalt" der Menschen im Burgenland auszudrücken. Eine Konzentrationsübung für den schnellen Leser sich mit der Geschichte Zeit zu lassen und aufmerksam zu bleiben. Und durch die hautnahe Schilderung des Erlebten entwickelt das Buch einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Feri's Weg in den Alkoholismus erinnert mich in seiner Eindringlichkeit und auch Ausweglosigkeit an Hans Fallada's "Der Trinker" aus dem Jahre 1944.

"Es geht ins Amerika hinüber ...", solch kleine Feinheiten lassen uns teilhaben an der Reise, an dem Leben in Amerika. Feri's Eltern scheitern in Amerika und kommen geläutert wieder ins Burgenland zurück. Gibt es kein Entrinnen? Auch die "neue Generation" scheitert an der Auswanderung.

20-iger Jahre

Herrlich die Erzählstränge über die Arbeits- und Lohnbedingungen im Amerika der 20-iger Jahre; wunderbar recherchiert und in einer Form erzählt, als wäre die Autorin selbst dabei gewesen. Eine historische "Abhandlung" in einem Roman über ein Thema, welches bisher wenig bis gar keinen Platz in der Literaturwelt erhielt.

Dass dies nun durch eine "junge" Burgenländerin passiert, ist ein Glücksfall. Zusätzlich wo die "Flüchtlingsproblematik" ein Brennpunkt der momentanen Lebenswelten darstellt und die Tatsache, dass "wir" selbst in der Rolle von Flüchtenden waren und wieder in diese kommen könnten, lässt einen doch sehr nachdenklich zurück.

Nie "zuhause"

Die Ausarbeitung der handelnden Personen finde ich besonders gelungen; insbesondere die Darstellung der Rollen der Frauen, und da "Ana" als Symbolfigur, die IMMER den Alltag aufrecht erhält und alle Aufgaben erfüllt, die sich ihr stellen, ohne diese zu hinterfragen. Sie fühlt sich weder im Burgenland noch im fernen Amerika je "zuhause" und dazugehörig.

Es ist kein Buch zum Durchatmen und / oder Entspannen, denn als Ana ins Burgenland wieder zurück kommt, naht die nächste "Unzeit"; der Vorabend zum Nationalsozialismus hin ...

Man darf auf weitere "Romane" gespannt sein.

THEODORA BAUER. CHIKAGO. Picus-Verlag. 2017. ISBN 978-3-7117-2052-8