BEWEGUNGSMELDER

AUTOR: THOMAS BALLHAUSEN
REZENSION: Kathrin Kuna
Dies sind die Zeilen, die ich nie den Mut fand, Dir zu schreiben. Dies ist der Brief, die Erläuterung, die ich Dir schuldig geblieben bin. Das ist alles. So erinnere ich mich an die Dinge, so und eben nicht anders, das sollte doch reichen. Das reicht. Dieser Versuch, von meiner Unlesbarkeit abzurücken, braucht die geheimnisloseste Schrift, die mir möglich ist. Sendung und Sicht, damit möchte ich beginnen, damit beginne ich.

Dies ist der Text auf dem Buchrücken, dies ist auch der Beginn des neuen Prosawerks von Thomas Ballhausen. Es ist in zwei Teile unterteilt: Fluchtversuche und Interventionen. Nicht nur hinsichtlich des Schreibstils, sondern auch im Tonfall sind diese beiden Bereiche unterschiedlich. Auch innerhalb dieser beiden Teile kommt es zu unterschiedlichen Textgattungen und Tonlagen. Während der stilistisch avancierte Sprachfigurenliebhaber nicht zu kurz kommt, lässt sich andererseits auch der mehr auf die Beschreibung der Emotionen und Geschehnisse konzentrierte Leser nicht abschrecken. Form und Inhalt sind harmonisch verbunden.

Sehr viel ist passiert seit Die Unversöhnten. Liest man die beiden Prosawerke des jungen österreichischen Schriftstellers und Kulturwissenschaftlers unmittelbar nacheinander, wird man vielleicht gar nicht glauben können, dass sie vom selben Autor stammen und dass zwischen der Entstehung dieser beiden Texte in der Tat nur knappe zwei Jahre liegen. War Die Unversöhnten noch die Geschichte eines verzweifelten Einzelgängers, der eine vergangene Liebe nicht verarbeiten konnte, weil er noch nicht einmal fähig war um sie zu trauern, so hat es der Leser jetzt mit einem Protagonisten zu tun, der sich seiner Gefühle und Sehnsüchte bewusst ist. Dieser Protagonist richtet sich in seiner Verzweiflung nicht gegen die Welt oder gegen sich selbst, sondern an das verlorene Objekt der Begierde bzw. auch das Objekt der verlorenen Begierde.

Leer und vereinsamt wie sein Umfeld

Obgleich in beiden Prosawerken Ballhausens die Innenwelten des Protagonisten im Mittelpunkt stehen, ist deutlich erkennbar, dass sozusagen eine noch schärfere Fokussierung stattgefunden hat. Würden die Bücher verfilmt, so käme es in Die Unversöhnten nur zu wenigen Nahaufnahmen des Protagonisten. Die Kamera würde sich auf ästhetische, vielleicht überästhetische Aufnahmen von der kalten, menschenleeren, utopisch futuristisch angehauchten Großstadt konzentrieren, in der dann auch dieser eine Mensch zu sehen sein würde, leer und vereinsamt wie sein Umfeld. In einer Verfilmung des Bewegungsmelders hingegen, würde die Kamera sehr oft auf das Gesicht des (Brief)Schreibers gehen; und vielleicht auch auf die Hände, vor allem aber die Augen. Es wären bewegte Bilder, aufgeregte Sprünge, aus Freude und Leid, aufgrund von Lebendigkeit.

Die Form des Briefes ist eine der direktesten Textgattungen, oft eben für den Ausdruck von Gefühlen und die Schilderung persönlicher Erlebnisse gewählt. Wenn es um Liebe geht, besteht im Literarischen immer auch die Gefahr der Übertreibung, der Psychologisierung und auch der Verkitschung. Getrost kann ich nach Lektüre von Bewegungsmelder behaupten, keine dieser Symptome erkannt zu haben, weder am Text noch bei mir selbst während des Lesens. Thomas Ballhausens Prosa klingt wie Poesie. Der Autor lässt alle Gefühle, Bedenken und Regungen in seinem Protagonisten zu und hat somit einen Menschen geschaffen, den der Leser verstehen kann ohne sich ihm ähnlich fühlen zu müssen.

ich weiß nicht mehr/ was die ersten Worte waren, die Du zu mir gesagt hast: ich kann mich nicht/ erinnern/ nur dieser wunderbare Name/ wie ein Pseudonym/ doch ich frage nicht nach/ dieser Name hat Klang und Wirklichkeit genug für mich/ Du sollst meinen Namen nicht abkürzen/ das klingt wie ein Gebot/ gegen das ich nicht vorhatte zu verstoßen/ wie meine Deckung lahmt/ und verhältst Dich doch/ als kämst Du aus einer anderen Welt/ was so falsch ja auch nicht ist/

THOMAS BALLHAUSEN. BEWEGUNGSMELDER. HAYMON VERLAG. 2010. ISBN 978-3852186436