Ein wunderhübsches kleines Büchlein, das ein bisschen aussieht als würde es aus der Schweiz kommen, weil der Titel in weißen Blockbuchstaben auf dem roten Hintergrund prangt. Blind Dates liest man zweimal, Bad Dates steht da aber. Es beherbergt auf jeden Fall 32 großartige kurze Erzählungen mit Titeln wie Die Hitlerpralinen, Der Jesusfreak, Männerkuscheln, Die zweite große Liebe und Meine schönste Hochzeit in sich. Geschrieben hat sie die deutsche Autorin Sarah Schmidt.
Abgesehen von ihr haben wir dieses kleine rote Buch dem Berliner Verbrecher Verlag zu verdanken. Nach dem Roman Dann machen wir's uns eben selber ist Sarah Schmidt also keine neue Verbrecherin, in Berlin kennt man sie sowieso von diversen Lesebühnen, seit sie sich 1994 dem Frühschoppen angeschlossen hat. Eine Auswahl der dafür wöchentlich verfassten Texte findet sich in diesem Buch, von dem Horst Evers im Vorwort behauptet, man könne es "als Westberliner Biographie in Episoden" lesen. Das wünsche ich Sarah Schmidt nicht, und sie wünscht sich das bestimmt auch nicht.
Binde fällt aus Schlabberunterhose
Einige der Erzählungen wie etwa Der Pottkopf sind so tragisch-komisch, dass man sich das Lachen wirklich verkneifen will. Man kann aber nicht, man muss doch einfach brüllen, wenn die Geschichte über das furchtbare Date der eben offiziell von der Natur zur Frau erklärten Schwester so endet, dass ihre erstmals benutzte Binde aus der Schlabberunterhose rutscht, aus dem Schlaghosenbein der Jeans fällt und im Park plötzlich vor den Füßen ihres Angebeteten landet. Die Arme sorgen plötzlich nicht mehr die Fragen von vorhin wie etwa "Wie würde es sein mit Zunge zu küssen? Ob sie vielleicht kotzen müsste, wenn sie die Spucke vom Pottkopf in ihrem Mund hätte?" Sie will sterben, sofort, sich vor einen Zug stürzen. "Sandra hasste die DDR in diesem Moment aus tiefstem Herzen. Wegen der kam auf dem verdammten Bahnhof seit über zwanzig Jahren kein einziger Zug und es war mehr als unwahrscheinlich, dass sich dies in den nächsten Minuten ändern würde."
In jeder der Erzählungen verwebt Sarah Schmidt die individuelle Geschichte des Protagonisten / der Protagonistin mit der des Schauplatzes. Und dieser ist immer Berlin. Hauptsächlich spielen die Geschichten in Kreuzberg, aber insgesamt stellt diese Erzählsammlung dann auch einen kleinen Stadtführer dar. Mal können wir Tränen lachen über die Gespräche, die von der Autorin im Indischen Restaurant in der Bergmannstraße mitverfolgt wurden, ein andermal bleibt einem das Lachen im Halsstecken, wenn Sarah Schmidt sarkastisch die Lebensart der Bewohner des Prenzlauerberges und ihre Sehnsucht nach "gelebten Wänden" beschreibt.
"Kein Vergnügen ohne Strafe"
Während die Autorin in einer der ersten Erzählungen (Ich habe Hausstaub) noch an die neurotische New Yorker Kolumnistin Carry Bradshaw erinnert, kommt im Laufe der Lektüre immer mehr die gedankliche Berliner Schnauze durch, die zu ernüchternden Einsichten führt wie: "Vor diesem Montag war Wochenende und ich habe schon wieder vergessen, dass ich Alkohol nicht wirklich gut vertrage. (...) Mein Körper scheint nämlich Protestant zu sein und da gibt es kein Vergnügen ohne Strafe." Sie sollten sich dieses Buch nicht entgehen lassen! Sie müssen erfahren, welche Geschichte hinter dem Titel Mit Vögeln bin ich durch steckt! Eine weibliche, Berliner Antwort auf Woody Allen.
SARAH SCHMIDT, BAD DATES, Verbrecher Verlag, 2007, ISBN 978-3-935843-95-9