Der Debütroman von Toxische Pommes. Toxische Pommes heißt im wahren Leben Irina und arbeitet als Juristin in Wien. Sie hat Hunderttausende Follower auf TikTok und Instagram und spielt ihr Kabarettprogramm "Ketchup, Mayo & Ajvar - Die sieben Todsünden des Ausländers" vor ausverkauften Häusern in Österreich und Deutschland.
"Was hat uns das neue Leben gekostet? Meinen Vater seine Stimme, meine Mutter ihre Lebendigkeit. Und mich?"
Vor dem Krieg in Jugoslawien flüchtet die Familie in ein Einwanderungsland, das keines sein möchte. Dieses Buch erzählt von der Beziehung zwischen einer Tochter, deren einziger Lebenssinn darin besteht, die perfekte Migrantin zu werden, und ihrem Vater, der sich bei dem Versuch, ihr das zu ermöglichen, selbst verliert. Die Mutter versucht "alles" am Laufen zu halten.
Erschienen im Paul Zsolnay Verlag, dem DUM - Das Ultimative Magazin zum 100. Geburtstag herzlich gratuliert.
Der Einstieg:
"Liebe ist ein Teller voll frisch geschnittenem Obst."
Ja das ist es wohl ..., noch vor dem Prolog, der dann so richtig loslegt.
Die Bürosituation mit dem Bettenbauprojekt unter dem Schreibtisch. Wer kommt schon auf die Idee? Eine Frau, die ihr Integrationsversprechen eingehalten hat und die Ausländerin in ihr wegintegriert hat.
So absolut falsch ist sie an diesem Arbeitsplatz: "Ich musste etwas an meinem Leben ändern".
Von Rijeka nach Wiener Neustadt in den so traurigen und belastenden 90iger Jahren für so viele "Jugoslawen", vom Leben in die "Hölle" für Vater, Mutter und Kind.
Was mich selber so getroffen hat, und meine ach so reflektierte Haltung gegenüber "Ausländern", ist dank Frau Irina wieder ins Wanken geraten.
Beispielhaft in der Frage der Deutschkenntnisse.
In der Beschreibung der eigentlich modernen Hausmannrolle des Vaters verbirgt sich eine Lebenstragik, die mich sehr berührte und nicht mehr losließ. Das Kapitel "Quotentschusch", wo der Vater vergeblich versucht eine Arbeitserlaubnis zu ergattern, besonders.
Bis er schließlich aufgibt und sich der Familie hingibt, und kaum mehr aus dem Haus geht, vereinsamt. Freunde hat er keine.
Deutsch lernt er mit der Tochter - anwenden kann er die neue, unbekannte Sprache eigentlich nie.
Den Deutsch-Test für die Staatsbürgerschaft eine Ewigkeit später, besteht er bravourös.
Die studierte Doktorin der Rechtswissenschaften meint: "Nun weiß ich nicht, ob es mehr wehtut, aus seinen Wurzeln gerissen zu werden oder niemals Wurzeln geschlagen zu haben."
Toxische Pommes macht viele Ängste in ihrer Kindheit durch, erlebt "existenzsozialistische Langeweile" in der Schule, erlebt das Haus der Revolution, das Haus des Todes, Haus und Halt, und schließlich Haus, Arbeit, Arbeit, Haus in der eigenen Gemeindewohnung. Die Haus-Abschnitte beschreiben das Leben der "3" im Alltag. "Putzen und Warten", "vielleicht ein anderes Mal" ...
Ein ewiger Kampf, um "allem" gerecht zu werden und Gerechtigkeit zu widerfahren an einem Ort, wo man(n)/frau nicht willkommen ist.
Das Buch betrübt, regt zum Nachdenken an, macht sprachlos. Regt zum Diskutieren an am "Stammtisch", zum Haltung beziehen.
Die Dialoge mit "Papa" sind in B/K/M/S - Frau Irina benutzt das Kürzel als Ausdruck der Muttersprache - um im Anschluss das Österreichische in Klammer zu setzen.
Die Fußnoten erhöhen das Verstehen einer Kultur, die einen enormen Beitrag leistet für die Vielfalt.
"Was hat uns Österreich gekostet? Meinen Vater seine Stimme, meine Mutter ihre Lebendigkeit. Und mich?
Meinen Vater.
Lesen Sie das Buch und gehen Sie hinaus aus der Komfortzone ...
Ich bin kein Kabarettgeher, aber eine Aufführung von Toxische Pommes möchte ich unbedingt wahrnehmen.
TOXISCHE POMMES. EIN SCHÖNES AUSLÄNDERKIND. Zsolnay Verlag. 2024. ISBN 978-3-552-07396-8