MITTLT DURCH GIAHN
AUTORIN: Annemarie Regensburger
Rezension von Wolfgang Kühn
Annemarie Regensburger ist den langjährigen DUM-LeserInnen längst ein Begriff. Die Tiroler Mundartpoetin, von der 2013 auch ein großartiger Roman ("Gewachsen im Schatten") erschienen ist, zählt zu unseren regelmäßigsten GastautorInnen. Nun liegt von ihr der Lyrikband "Mittlt durch giahn" vor, mit dem selbsterklärenden Untertitel "Dreißig Jahre Dialektlyrik".
In vier große Kapitel hat die Autorin diesen schönen Band gegliedert: "Stolperer", "Fassn nachn Lebm", "barfueß" und "Mittlt durch giahn".
Bei Annemarie Regensburger geht es oft um Hindernisse, Mauern, unsichtbare Gefängnisse, wie etwa beim Gedicht "Bettnässer", in dem die Autorin meint, dass man sich nicht wundern dürfe, dass es im Schlaf rauskommt, wenn man sich tagsüber immer zurückhalten muss und nie so sein darf, wie man sein möchte. Oft steht bei ihr die Rolle der Frau im Mittelpunkt, die oft lebenslange Schicksalsergebenheit, aus der es scheinbar kein Ausbrechen gibt. Als Beispiel sei das Gedicht "Fortschritt" genannt, in dem es Annemarie Regensburger als ebensolchen sieht, dass man die Frau heute nur mehr gerne hinter den Herd verbannt, anstatt sie wie früher in den Ofen zu stecken.
Gegen gedankenloses Brauchtum
Annemarie Regensburger ist stets auch eine kritische Stimme gegenüber gedankenlosem Brauchtum, wie beispielsweise in "Der aufrechte Tiroler", dem sie am Ende des Gedichts attestiert, dass es "gscheider isch", er bleibt am Boden liegen, und gegenüber Kirche und bedingungslosem Glauben, wie im Gedicht "Innerkirchlig": Von vielen / Weihrauch / in oagenen Haus / eigroucht / und beneblt / und in Blick / nach ausse / verloarn. Die Gedichte sind oft schwer und ernst, doch selbst in denen mit "heiterer" Schlusspointe lässt sich Tiefe erkennen, wie im Gedicht "Dorfkatastrophe", in dem als letzter Ausweg nur mehr der "Salberbrennte in Kaschtn" hilft.
Annemarie Regensburger schafft es, in Tiroler Mundart vieles zu sagen, das in der Hochsprache weit weniger prägnant und treffend formuliert werden könnte. Sie schreibt in einem perfekten Mischungsverhältnis von Herz und Hirn, so dass auch nicht Tirolerische Mundart verstehende LeserInnen ihre Gedichte ohne allzu große Schwierigkeiten für sich entdecken können.
ANNEMARIE REGENSBURGER. MITTLT DURCH GIAHN. Haymon Verlag. 2014. ISBN 978-3-7099-7176-5
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