Springen wir rein in den Dialektpoesiepool. Ohne Vorahnung aber mit Anlauf. Freilich kennen wir Doris Leeb schon von ihren Veröffentlichungen im DUM. Die Biografie, die sie uns für die DUM-Homepage geschickt hat, ist kurz und aussagekräftig: Innviertlerin, Mama, Logopädin, Schreiberin, Schatzdorferpreisträgerin, Oisnedsoernstnehmerin.
Kurz und aussagekräftig sind auch die Texte in "Menscha" und sie sind auch so vielfältig, wie die Biografie der Autorin vermuten lässt. Ganz selbstverständlich wird da Dialekt mit Standard vermischt und es kommt gern auch noch Englisch dazu. Denn so machen wir das doch längst alle im Alltag. Wir bewegen uns zwischen verschiedenen Registern. Mal ist ein Dialektausdruck der treffendste, mal ist es eine englische Redewendung. Dieser Dialektpoesiepool ist also eigentlich ein Sprachmeer, dessen Wellen uns sanft abklatschen, umspülen, abkühlen und wohlfühlen lassen.
Tapser auf den Hinterkopf
Es badet sich gut in diesen Gedichten. Der Salzgehalt ist grad richtig, die Temperatur auch. Aber Vorsicht, bloß nicht zu sicher fühlen, das Meer hält immer wieder Überraschungen bereit und wer nicht aufpasst, verschluckt sich. Ja, diese Gedichte wollen schon auch schlucken machen und mitunter wollen sie auch richtig was auskotzen. Das ist alles gut und reinigend und geht rein und geht auf und ist in Summe immer noch erfrischend anders.
Aber bevor ich mich da jetzt weiter treiben lasse, doch ein paar handfeste Sätze darüber, was Doris Leeb wie macht. Sie überhöht die Alltagssprache nicht, aber sie formalisiert sie. Sie reduziert, dampft ein, konzentriert sich aufs Wesentliche. Sie stellt einfach mal alles auf den Kopf, das wirkt schon Wunder, vertauscht die Geschlechterrollen und macht dadurch sichtbar, was falsch läuft. Ihre Gedichte sind wie kalt-warme Umschläge, sind mal zärtliche Tapser auf den Hinterkopf, mal Streicheleinheiten mit feuchtem Waschlappen, mal mit 100er-Schmirgelpapier.
Die Einwortperlenketten, die Doris Leeb da auffädelt und uns um Hals, Arm und Herz legt, funkeln uns an und strahlen positiv. Sie wärmen und machen lachen. Aber nicht nur. Sie beuteln uns schon auch her. Denn sie bilden immerhin das Leben ab und dabei sind sie ungekünstelt treffend. Ja, das sind sich nicht erhebende, sondern lebende Gedichte. Das sind im besten Sinne praktische Gedichte, sie sind uns also die Luftmatratze im Sprachmeer. Manchmal sind es auch einzelne, quietschvergnügte Schwimmflügerl. Denn Doris Leeb streut - zur Wahrung der Fallhöhe - gerne Wortspielereien, Blödeleien oder auch mitunter gebrochene Akrosticha ein. Diese komischen Schwimmflügerl sind also eigentlich humorvolle Fallschirmchen zur Wahrung der Fallhöhe. Eben noch gelacht, wird dann aber wieder mit Widerworten aufgewartet. Gut gesetzte Gegenworte, die Missstände verdeutlichen.
Idylle gekillt
Da kriegen Kirche und System ihr Fett weg. Da wird die Daheim-Idylle gekillt und der Romantik Drastik untergehoben. Da prallt Spielerei auf Existenzialismus, da stürzen Gefühls- auf Arbeitswelten, da schüttelt das Prekariat einem die Hand und die Vernunft schüttelt den Kopf, da kracht, wenn's sein muss, die Sprache, da blüht, weil's sein muss, das Leben. Denn es geht immer um "Immerwährende Reparaturarbeiten called life" (S. 107). Es geht aber auch mal um nebensächliche Hauptsächlichkeiten, mal hauptsächlich um Nebensächliches oder um Mutterschaft, die alle schafft; ums Muttersein und Mutigsein; ums Einatmen und Auskotzen; Und am Ende wird noch ein programmatischer Sprengsatz wider das Patriarchat aufgefahren.
Wir verlassen Doris Leebs Sprachmeer schließlich runderneuert, denn ihre Texte haben uns nicht nur ordentlich gewaschen sondern auch überrascht und unterhalten (nicht unten gehalten). Ja, man kann sich an diesen Texten festhalten. Diese Gedichte sind uns Haltestellen, laden uns ein, locken uns manchmal mit winkendem Mittelfinger und haben dann doch immer auch eine Umarmung parat. Was will Mensch mehr von einem Buch.
DORIS LEEB. MENSCHA. edition panoptikum. 2025. ISBN 978-3-9505662-1-5