"Ein interessanter Mann ist Helmut Köglberger. Da es bei unseren Klubs Mode ist, einen Murl zu haben, hat sich nun auch das österreichische UEFA-Team einen zugelegt."
Diese Zeilen waren am 14. Jänner 1964 in einer österreichischen Tageszeitung zu lesen. Der Werdegang des Fußballers Helmut Köglberger ist weit mehr als ein Stück Sportgeschichte in einer vom Nationalsozialismus geprägten Gesellschaft. Köglberger wurde 1946 in Oberösterreich als Sohn eines schwarzen amerikanischen Soldaten und einer Österreicherin geboren. In der Landbevölkerung gab es klare familiale Strukturen: Vater, Mutter, Kind. Ein unehelicher "Rotzlöffel" war nicht vorgesehen. Seine Mutter war wegen der Hautfarbe ihres Sohnes sozial geächtet, den Vater hat er Zeit seines Lebens gesucht - aber nie gefunden.
Köglberger hatte keinen leichten Start ins Leben. Er musste kämpfen und sich durchbeißen. Als Fußballer wurde er mit dem LASK und der Austria Wien österreichischer Meister. Die Nationalmannschaft führte er als Kapitän auf das Spielfeld, seine Anhänger widmeten ihm Sprechchöre: "Wir brauchen keinen Müller, wir brauchen keinen Held, wir haben unsren Heli, den Besten auf der Welt." Es war ein weiter Weg vom Außenseiter zur Fußballikone, vom SV Sierning zum Handschlag mit Franz Beckenbauer.
Soweit der Klappentext, der als anschauliche Einstimmung dient.
Gestolpert bin ich unlängst bei einer meiner zufälligen Internetrecherchen über die Graphic Novel "Köglberger". Eine Fußballfernsehszene tauchte auf aus meiner Kindheit, wo Helmut Köglberger dem hünenhaften Torhüter Erwin Fuchsbichler den Ball aus den Tormannhänden spitzelt und ins Tor trifft. Sein Jubel war wunderbar; Erwin Fuchsbichler grantig bis verdutzt; auf den Schiedsrichterpfiff wartend, der auch prompt folgte. Kein Tor. Warum ich die Szenerie in Erinnerung behielt? Das bleibt unbeantwortet. In Erinnerung bleibt mir auf alle Fälle meine kindliche Herangehensweise, dass es vollkommen egal ist, ob da jemand eine dunkle Hautfarbe hat oder nicht ...
Am Beispiel eines Fußballers, eines Profifußballers, wird das Leben eines Besatzungskindes erzählt. In Sprechblasen, anschaulichen Zeichnungen, einsamen Zuschreibungen, feindlich gesinnten Abschreibungen; es bleibt der offenkundige Erfolg sich durchzusetzen und teilzuhaben.Peter Bichsel, der erst kürzlich verstorbene, große Schweizer Literat, meinte in einem Filmporträt über das "Schauen": "Wenn man beobachtet, sieht man nichts. Man muss schauen. Wenn man beobachtet, weiß man zum vornherein, was passieren sollte. Schauen ist etwas Anderes, etwas viel Passiveres und Kontemplatives."
Bilder strömen anders
Genau dazu fordert das Buch auf so eindrückliche Art und Weise auf. Ein Eintauchen in ein Leben mit Fußball als Leidenschaft, verpackt in einer Graphic Novel; kein Comic.Bilder strömen anders als reine Texte. Sprechblasen hinterlassen nachhaltige Spuren.Der herrlich wortlose Beginn mit dem Blick in das leere Wohnzimmer. Helmut Köglberger tritt ein und zieht ein Buch aus dem Buchregal, wo sämtliche Zeitungsausschnitte aus seiner Fußballkarriere gesammelt sind; aufbewahrt zwischen Agatha Christie und Alexander Solschenizyn.
Am Ende verbleibt wieder der leere Wohnraum, befüllt mit einem "schwer-reichen" Leben. Die Fotoausschnitte aus dem Privatleben (Familie ...) im Anhang sind als "Ergänzung" aus dem Leben einer Fußballikone eine Möglichkeit der biographischen Auseinandersetzung mit dem Dasein.
Ich werde nun des Öfteren Graphic Novels zur Hand nehmen, um Einblicke zu gewinnen, die anscheinend leicht daherkommen, aber nichts desto trotz beim genaueren Hinschauen die eigene Sichtweisen-Welt erweitern können.
Wie dieses "Werk" über Helmut Köglberger ...
PHILIP BAUER / EUGENIO BELGRADO / ANATOL VITOUCH. KÖGLBERGER. VOM BESATZUNGSKIND ZUR FUSSBALLIKONE. Graphic Novel. Bahoe Books. 2025. ISBN 978-3-903478-43-5