KUCHENSTIMMUNG UND ANGEMESSEN UNMETAPHORISCHE AUSSAGEN

AUTOR: Leif Randt
REZENSION: Markus Köhle
Dass Leif Randt letztes Jahr in Klagenfurt den Ernst-Willner-Preis gekriegt hat, habe ich mitbekommen. Dass mir der Text von ihm im Volltext gefallen hat, weiß ich auch noch. Dass 2010 sein Debüt "Leuchtspielhaus" erschienen ist, wusste ich lediglich passiv und der Titel seines Zweitlings "Schimmernder Dunst über Coby County" hat mich eigentlich abgeschreckt. Aber es ist natürlich töricht, sich von Buchtiteln abschrecken zu lassen. Auch soll man sich von der Covergestaltung weder anziehen noch abschrecken lassen, ich (und wohl viele andere auch) mache es aber wider besseren Wissens doch. Jetzt ist da also dieser Titel und dann dieses Hardcover ganz in weiß mit silbern glänzender Schrift und anstatt eines Bildes, eine silbern schimmernde Fläche (also quasi ein Spiegel) und am Buchrücken wuchtet dir entgegen: "Willkommen am schimmernden Ende unserer Welt".

Das ist fürs Erste viel Schimmer und dass es nicht schlimmer kommt, sondern tiefer geht, ist letztlich doch eine große Freude. Aber zurück zur Buchakquise (denn manchmal ist die dann doch ein wesentlicher Teil der Geschichte, die man mit einem Buch verbindet). Schön auf eine Ministaffelei drapiert und ins Schaufenster gestellt, funkelte mich dieses Buch in einer Deutschen Buchhandlung in der mazedonischen Hauptstadt Skopje an. Da gab es ansonsten nur Laufmeter Goethe, Hesse und Wörterbücher aber in der Auslage eben auch den Randt. Mutig, dachte ich mir und war schon bei der Tür. Die aber war zu. Ich kam am nächsten morgen wieder und siehe, mir wurde geöffnet. Der Buchhändler Detlev Schlott (Skali dooel, Kej Dimitar Vlahov 3, 1000 Skopje) freute sich, mit jemanden nicht über Goethe, Hesse und Wörterbücher sprechen zu müssen und wäre ohnehin (wie wohl viele Buchhändler) eine eigene Geschichte wert. Er erzählte mir, dass er vorher schon in Mauretanien und Indien eine Deutsche Buchhandlung betrieb, dass er ein Wandernder mit Buchhandlung sei. Dass man vom Reclamheftchenverkauf nicht leben kann, war mir ebenso klar, wie die Tatsache dass den Normalpreis einer aktuellen Erscheinung kaum ein Mensch hier bezahlen konnte. Er ließ sich gerne zu einem Büchertausch überreden und nun lodert eben "Hanno brennt" im Schaufenster von Detlevs Laden in Skopje und ich bespreche (persönlich wie noch nie) Leif Randts zweiten Streich.

Alles ist easy, clever und smart

Darin entwirft er eine Welt, die geradezu perfekt erscheint. Eine Welt, die nur für dieses fiktive Coby County gilt. Coby County ist eine Stadt, die alles hat, die sich nicht um das Draußen kümmert; in die man reist, um alles was zuhause ist, zu vergessen; in der man aufgewachsen ist, weil man reich ist, und das auch bleiben will. Alles ist easy, clever und smart. Alle sind kreativ oder zumindest erlebnisgastronomisch tätig. Der Held Wim Endersson (erinnert an einen Regisseur dessen Welten einem ebenso nicht real aber sehr sympathisch sind) ist Literaturagent, sein bester Freund (auch knackige 26) Kunsthistoriker. Alles ist schön und angenehm man selbst natürlich auch und wenn mal was unrund läuft, ist das auch nicht schlimm. Man muss sich und seine Gefühle halt unter Kontrolle haben und darf bloß nicht in die überall lauernden Klischeefallen tappen. Wer mag Literatur ja auch bloß, weil er sie unter Kontrolle hat, nicht weil er sie besonders spannend fände.

Die große Stärke des Buches ist es, aufzuzeigen, dass die Problemvertuschung der Figuren nur oberflächlich gelingt. Diese permanenten Gefühlsblocker haben zwar gelernt: aufgesetzte Herzlichkeiten zu enttarnen, situationsaufgeladenes Schweigen nicht überzubewerten, die kommunikative Funktion von Berührungen einzuschätzen und immer das passende Shirt dazu zu tragen. Aber wenn die Freundin dann per SMS Schluss macht, nützt die ganze softe Laune und das Eigentlich-eh-alles-gut-Mantra nichts, da muss selbst ein gestandener Coby Countier mal so tun, als wäre er traurig. Aber am Ende ist das ja auch nicht weiter tragisch. Muss eben eine neue Carla her (Carla Zwei). An der ist beruhigend, dass sie nichts besonders gut macht beim Sex und dass auf Anhieb eine Art Metaebenen-Gespräch möglich war. Die sanfte Bedrohung, die von Anfang an im Hintergrund schwebte, wird zwar zur möglichen Apokalypse hochgeredet, aber sie bleibt natürlich aus. Was bleibt, ist Dunst über der heilen, unterkühlten Welt und das "total angemessene" Gefühl, ein tolles, durch und durch stimmiges Buch mit eigenständigem Ton gelesen zu haben, das gegenwärtige Verhaltensweisen lässig entlarvt, Modetorheiten schamlos entbößt und zudem durch und durch komisch ist. Danke Detlev!

LEIF RANDT. SCHIMMERNDER DUNST ÜBER COBY COUNTY. BERLIN VERLAG. 2011. ISBN 978-3-8270-1027-8