FREISCHNORCHELN

AUTORIN: MIEZE MEDUSA
REZENSION: KATHRIN KUNA
Von der prekären Situation vieler Mitzwanziger und Mitdreißiger wurde und wird immer noch viel gesprochen. Vernünftiges kommt von den älteren Generationen, Analytisches von den Volkswirtschaftlern, Illusorisches von den Traumfabriken und Sarkastisches zuweilen von den Betroffenen. Wie umgehen mit der Situation selbständig und nicht regelmäßig verdienend zu sein? Wie leben ohne Geld und finanzielle Absicherung? Diese Fragen werden im Roman gestellt, indirekt. Die Geschichte von Nora, einer jungen, selbständigen, in Wien lebenden Kreativen erzählt Mieze Medusa auf humorvolle Art und Weise ohne dabei moralisch zu klingen oder gar an der Oberfläche zu bleiben.

Nicht nur beruflich strauchelt Nora, auch privat, also besonders in Männerangelegenheiten versucht sie sich peu á peu durch ein Wirrwarr aus Erwartungen, Eindrücken, Gefühlen und Vorstellungen zu kämpfen. Seb, der neue Mitbewohner, der die monatlichen Einkünfte auffrischen soll, bringt frischen Wind in Noras Leben. Wind, keine Wirbelstürme, aber die Einsicht, dass Nora etwas ändern muss, "ihr Leben zum Beispiel". Frank lernt Nora eigentlich zunächst auf geschäftlicher Ebene kennen. Obwohl er sie sogleich auf genau dieser enttäuscht, schreckt sie nicht davor zurück die private Ebene mit ihm noch auszutesten. Was bisweilen wiederum zu sehr skurrilen Situationen führt - großartig und spannend erzählt.

Bitterböse Stimme aus dem Off

Bis zu einem gewissen Grad ist der Roman sicherlich eine frauenspezifische Geschichte. Den Pakt mit dem Donauweib können vermutlich aber auch esoterisch bewanderte männliche Kollegen nachvollziehen. Ebenso wahrscheinlich auch die Selbstgespräche in Form von Dialogen mit dem Karma, eine scheinbar als dritte Erzählebene neben dem tatsächlichen Erzähler und Nora eingebaute Stimme. Das nervtötende Gewissen? Die bitterböse Stimme aus dem Off? Der zarte Zweifel? Die innere Kraft? Von allem hat Noras Karma etwas, abhängig von der Situation, derer es unterschiedlichste gibt.

Von der minutiös geschilderten Magazinpräsentation mit Fischbuffet und Fluor-Nixen-Haardekorationen bis hin zu den nächtlichen Donaubädern gelingt es Nora den Kontakt zu sich selbst nie wirklich zu verlieren - nur ihn mal richtig zu finden, danach sehnt sie sich stetig. Besonders die eindringlichen Schilderungen körperlicher Befindlichkeiten lassen Nora zu einer lebendigen Figur werden. Ihre finanzielle Not reicht so weit, dass sie zuweilen ihren Kühlschrank tagelang nicht füllen kann. Frust und Verzweiflung steigern sich, so dass ein Ausbruch aus dem Alltag eine Frage der Zeit und des Muts wird.

Auch für Feuchtgebiete-Begeisterte

So spontan Noras Entscheidung dann auf den Leser wirken mag, so konsequent scheint er von langer Hand geplant und wird dramaturgisch stringent und überzeugend bis zum Ende durchgezogen. Läuft man davon, wenn man eine Auszeit nimmt und weggeht? Was kommt mit, wenn man davonläuft? Was kann man zurücklassen, bevor man zurückkehren muss? Und wann muss man zurückkehren?

Ein Buch, das für Tiefseetaucher gleichermaßen geeignet ist, wie für all jene, die nahe am Wasser gebaut sind. Auch von Feuchtgebieten Begeisterte werden ihren Spaß haben - ganz zu schweigen von jenen, die sich an Sprachabwechslung erfreuen können! Mieze Medusa erzählt spannend und aufregend, ohne dabei verspannt oder aufgeregt zu wirken. Sehr souverän legt sie mit "Freischnorcheln" ihr Romandebüt vor. Durchatmen und für ein paar Stunden abtauchen!

MIEZE MEDUSA, FREISCHNORCHELN, Roman, Milena Verlag, Wien 2008, ISBN 978-3-85286-167-8